Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Córdoba

Die Feuer von Córdoba

Titel: Die Feuer von Córdoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
Vom Netzwerk:
bevor Bartolomé Euch nach draußen begleitet?«
    »Ja, ich meine, ich …«
    »Nun?«
    Juan wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er keuchte, als würde er bereits über die Hügel gehetzt werden und um sein Leben rennen.
    »Ich will diese Stadt verlassen, Señor de Cabalho. Gemeinsam mit meiner Familie. Und ich bin hier, weil ich Euch bitten wollte, mir zu helfen. Bitte, Ihr müsst mir glauben. Die Inquisition ist mir auf den Fersen. Das heißt, ich fürchte, dass sie mir bald auf den Fersen sein wird. Ich bin nämlich Schreiber in der Verwaltung der Stadt. Vor einiger Zeit stellte ich fest, dass immer mehr Familien auswandern. Anfangs habe ich mir nichts dabei gedacht, aber dann entdeckte ich plötzlich den Namen eines Freundes auf einer der Listen.«
    Und Wort für Wort erzählte Juan von seinem Freund José und seiner Familie, seinen Befürchtungen über ihren Verbleib, seiner eigenen Herkunft, seiner Angst und seinem schlechten Gewissen, weil er José nicht hatte helfen können.
    Als er mit seiner Beichte endlich fertig war, herrschte Stille in dem Raum. Aber nur für einen kurzen Moment. Dann schlug Anselmo mit der Faust auf den Tisch.
    »Was habt Ihr getan?«, rief er, und seine Augen funkelten zornig. »Wisst Ihr, was Ihr getan habt? Ihr habt diese Leute umgebracht, als hättet Ihr sie eigenhändig an die Inquisition ausgeliefert. Ihr seid …«
    »Anselmo, mäßige dich!«
    Dieser sprang auf, sodass sein Stuhl nach hinten umkippte. Er schien es nicht einmal zu bemerken. Sein hübsches Gesicht war weiß vor Zorn.
    »Ich soll mich mäßigen? Wenn dieser Kerl nur einen Funken Ehrgefühl und Mut im Leib gehabt hätte, dann …« Er verfiel in eine andere, melodisch klingende Sprache. Sie sprudelte aus ihm heraus wie überschäumendes Wasser – oder wie Feuer aus einem feuerspeienden Berg. Juan verstand nur wenig von dem, was Anselmo ihm ins Gesicht schrie. Genau genommen verstand er nur zwei Worte: »Tod« und »Feigling«.
    »Anselmo, es reicht!«, rief Cosimo energisch und erhob sich. »Lass den Mann in Ruhe!«
    Anselmo starrte Cosimo zornig an, dann warf er Juan einen hasserfüllten Blick zu, zischte etwas durch die zusammengebissenen Zähne und stürzte nach draußen. Laut schlug die Tür hinter ihm ins Schloss, und es herrschte wieder Schweigen. Juan wagte nicht, die anderen anzusehen. Er traute sich nicht einmal zu atmen. Er selbst konnte Anselmo gut verstehen. Auch er empfand Abscheu vor sich. Und obwohl er in den vergangenen Wochen immer wieder versucht hatte sich einzureden, dass er nur geschwiegen hatte, um seine Familie zu schützen, dass er José zu Hilfe gekommen wäre, wenn er keine Frau und Kinder gehabt hätte, deren Wohl ihm am Herzen lag, so blieb das Ergebnis am Ende doch immer gleich. Wenn er mit sich selbst ehrlich ins Gericht ging – und dazu hatte er in den letzten Wochen wahrlich genug endlos lange Stunden in seinem Bett wach gelegen –, so lief es darauf hinaus, dass er einfach nicht genug Mut besessen hatte, José zu helfen. Anselmo hatte Recht, er war ein Feigling.
    Cosimo setzte sich wieder. »Ich kann mir vorstellen, dass es Euch schwer fällt, aber ich bitte Euch dennoch, meinem Sohn zu verzeihen, Señor Martinez«, sagte er und schüttelte müde den Kopf. »Ein Urteil über das, was Ihr getan oder gelassen habt, steht uns selbstverständlich nicht zu. Keiner von uns kann sicher sein, wie er selbst in Eurer Lage gehandelt hätte, denn keiner von uns hat sich je in einer solchen Situation befunden. Doch um für meinen Sohn eine Bresche zu schlagen …« Er seufzte und fuhr sich mit einer müden Geste durchs Haar. »Er liebt Teresa, die Tochter Eures Freundes José.«
    Juan schloss die Augen. Er hatte das Gefühl, ein Riese hätte sich auf seine Brust gesetzt, um auch noch den letzten Atem aus ihm herauszupressen.
    »Es tut mir so Leid«, stieß er schließlich mühsam hervor. »Teresa war so ein ausgesucht schönes Mädchen. Sie war voller Liebreiz und Klugheit und …«
    »Oh, sie ist es immer noch«, unterbrach ihn Cosimo, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Teresa lebt. Sie ist den Häschern der Inquisition durch eine List entkommen und versteckt sich seither in den Bergen.«
    Einen Augenblick starrte Juan Cosimo ungläubig an. Er konnte nicht fassen, was der Mann ihm soeben erzählt hatte. Wollte er etwa einen üblen Scherz mit ihm treiben? Dann, als er endlich begriff, dass Cosimo de Cabalho die Wahrheit gesagt hatte, schossen ihm die Tränen in die Augen, und

Weitere Kostenlose Bücher