Die Feuer von Córdoba
Abend sah sie Suzannas Gesicht. Sie wusste, was die Frau über sie und Juan dachte. Natürlich war das lächerlich , aber was sollte Suzanna sonst denken, wenn man ihr die Wahrheit verschwieg?
»Juan, Ihr müsst Suzanna alles erzählen«, sagte sie. »Am besten noch heute.«
Juan zuckte zusammen, als hätte sie ihm einen Schlag versetzt .
»Suzanna? Was soll ich ihr erzählen?«
»Warum ich hier bin und dass …«, sie sah sich kurz um, ob sie auch nicht belauscht wurden, und senkte dann die Stimme zu einem Flüstern, »dass Ihr aus der Stadt fliehen wollt. Und weshalb. Sie muss es wissen. Je eher, desto besser .«
»Und warum? Warum sollte ich ihr das antun? Ihr kennt sie nicht, Señora. Suzanna würde sich nur aufregen und dann möglicherweise eine Dummheit begehen. Nein.« Er schüttelte den Kopf.
Anne verdrehte die Augen. Juan war klug und gebildet. Außerdem war er ein guter Menschenkenner und Beobachter, das hatte sie recht schnell herausgefunden. Aber was seine eigene Ehefrau anging, schien er förmlich mit Blindheit geschlagen zu sein.
»Suzanna ist keinesfalls so einfältig, wie Ihr glaubt, Juan. Sie weiß, dass Ihr sie belogen habt.« Juans Kopf flog herum, und er starrte sie an, als hätte sie ihm eben eröffnet, seine Kinder seien in Wahrheit die Sprösslinge von drei verschiedenen Männern. »Allerdings denkt sie, Ihr hättet es aus einem anderen Grund getan.«
»Und welcher sollte das sein?«
»Sie glaubt, dass ich Eure Geliebte bin.«
»Was?!« Juan schrie das Wort fast heraus. Dann lachte er laut. »Aber das ist doch lächerlich!«
»Ich stimme Euch zu, auch wenn Eure Reaktion nicht gerade schmeichelhaft ist«, erwiderte Anne und registrierte mit Genugtuung, dass Juans Gesicht rot anlief. Er murmelte etwas zur Entschuldigung vor sich hin, doch sie achtete nicht darauf. Sie ärgerte sich über seine Naivität und seine Ignoranz den Gefühlen seiner Frau gegenüber. »Aber was soll sie anderes denken? Dass ich Eure Cousine sei, hat sie Euch nicht einen Augenblick lang geglaubt. Ihr weicht ihr ständig aus, Ihr redet kaum mit ihr, Ihr verschweigt ihr die Wahrheit. Selbst bei Tisch seht Ihr sie kaum an. Stattdessen sprecht Ihr mit mir. Es ist kein Wunder, dass sie die falschen Schlüsse zieht. Ich sage Euch, erzählt ihr die Wahrheit. Gleich heute Abend. Sonst wird sie tatsächlich noch eine Dummheit begehen .«
»Unsinn«, entgegnete er und schüttelte den Kopf.
»Wenn Ihr die Eifersucht einer Frau unterschätzt, so seid Ihr ein Narr, Juan«, sagte Anne. »Eine Frau, die glaubt, um ihren Mann kämpfen zu müssen, ist zu allem fähig. Vielleicht fällt es ihr sogar ein, mich bei der Inquisition anzuzeigen.«
Juan verzog das Gesicht und schüttelte wieder den Kopf. »Ich bitte Euch, Señora, jetzt übertreibt Ihr aber wirklich. Mit welcher Anklage sollte Suzanna denn zur Inquisition gehen ? Außerdem müsste sie doch damit rechnen, dass auch ich dann unter den Bann der Inquisition gerate. Nein, so etwas würde Suzanna niemals tun.«
»Gut, wie Ihr meint«, erwiderte Anne und zuckte ergeben mit den Schultern. »Aber sagt hinterher nicht, dass ich Euch nicht gewarnt hätte.«
Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Anne ärgerte sich. Warum nur hatte sie Juan auf Suzanna angesprochen? Sie hätte doch gleich wissen müssen, dass es keinen Zweck hatte. Er war zwar nett, aber er war ein Macho wie die meisten Männer seiner Zeit und in dieser Gegend, Cosimo eingeschlossen . Wahrscheinlich prägte nicht von ungefähr ausgerechnet ein spanisches Wort diesen Männertyp. Und wie jeder Macho war auch Juan der festen Überzeugung, dass er seine Frau durch und durch kannte, dass er wusste, was sie dachte und fühlte, und dass er jede ihrer Handlungen voraussehen konnte. Wenn er sich da nicht täuschte.
Aber warum machte sie sich eigentlich Gedanken um Juans Ehe? Aus Mitgefühl?
Nein, du willst dich selbst schützen, sonst nichts, dachte sie und presste die Lippen aufeinander. Wenn Suzanna sich wirklich an die Inquisition wendet, geht es dir nämlich zuerst an den Kragen. Diese Frau kann dich in ihrer Eifersucht umbringen . Ein einziges Wort reicht. Es ist so einfach.
In der Stadt
»Eure Majestät!«
Karl V. schreckte hoch, und für einen kurzen Augenblick wusste er nicht, wo er sich gerade befand. Dann hörte er das Klappern der Hufe, das Rattern der Räder auf der unebenen Straße und die Stimmen der Soldaten, die ihn und seine engsten Vertrauten und Diener auf dem Weg nach Córdoba begleiteten
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