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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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herauf, doch tatsächlich entpuppte es sich als eine heruntergekommene Grashütte. Nichtsdestotrotz wäre ich vielleicht selig in ihrem Schutz zusammengesunken — mittlerweile hatte auch noch ein feiner Nieselregen eingesetzt, und von der vollgesogenen Krempe meines Huts tropfte es mir ins Gesicht —, aber das »Rasthaus« war verriegelt und verschlossen.
    Hananui machte sich nun sichtlich Sorgen, daß wir unser Ziel nicht vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würden, und so band er sein Pferd fest und kam zu jedem von uns, um sich zu vergewissern, daß wir auch alle Sporen angelegt hatten — schwere, rostige mexikanische Instrumente mit wohl vier Zentimeter großen Dornenrädchen. Auf Mr. Clemens Nachfrage hin gestand er, daß noch ein harter Ritt von wenigstens fünf Stunden vor uns lag, ohne Rast- oder Wasserstelle entlang des Wegs.
    Schon bald nachdem wir vom Rasthaus aufgebrochen waren, fiel ich zurück, so groß war die Erschöpfung meiner Glieder von ihrer ungewohnten Anordnung auf diesem massigen Tier. Ich hatte kaum noch die Kraft, dem müden Gaul die Sporen zu geben. Ich stellte fest, wenn ich den Kopf zur Seite drehte, tropfte das Wasser des nunmehr recht heftigen Regenschauers von meiner Hutkrempe, ohne meine Beine und den Hals des Pferdes zu durchnässen.
    Als ich hochblickte, sah ich zu meiner Überraschung, daß Mr. Clemens neben mir ritt. Seine Fürsorge, falls es sich darum handeln sollte, ärgerte mich, und ich spornte Leo zu neuen Höhen stampfender Mißmutigkeit an.
    Der Korrespondent rauchte eine seiner abscheulichen Zigarren, die brennende Spitze knapp durch die überbreite Krempe seines Sombreros vor dem Regen geschützt. Fast schon neidisch, stellte ich fest, daß er auch eine Art knöchellangen gewachsten Staubmantel trug, der — obgleich für dieses Klima wohl etwas zu warm — sehr wirkungsvoll den Regen abweisen mußte. Meine eigenen Röcke und Schichten um Schichten an Reitbekleidung mußten mittlerweile — wie ich während der langweiligeren Passagen in des Reverends Ausführungen über die Galater errechnet hatte — um die hundert Pfund wiegen, so vollgesogen waren sie von diesem abendlichen Niederschlag.
    »Eine prachtvolle Landschaft, nicht wahr?« bemerkte der ehemalige Flußschiffer.
    Ich pflichtete ihm so kühl wie möglich bei.
    »Es war umsichtig von den Eingeborenen, die Luft in dieser Art für uns zu parfümieren, finden Sie nicht auch?« ließ er nicht locker. »Und diese spezielle Form von Sabbatlicht auszusuchen.«
    »Sabbatlicht?« sagte ich. Es war kein Sonntag.
    Mr. Clemens wandte sich um und deutete mit einem Nicken hinter uns, und zum ersten Mal seit Stunden drehte ich mich in meinem Sattel um und blickte nach Osten. Hier bei uns auf diesem lavaschwarzen Hang regnete es, aber weit draußen auf See ließ die niedrigstehende Sonne die Wellen in blendendem Gold und Weiß aufblitzen. Andere Wolken warfen ihre Schatten auf das Meer, und die Schatten huschten wie ängstliche Tiere auf der Suche nach Schutz vor der gleißenden Helle davon. Zu unserer Linken, wo das Abendlicht durch das Tal zwischen dem Mauna-Kea-Vulkan und unserem eigenen Mauna Loa fiel, brach der Sonne Schein in fast horizontalen Strahlen durch die Wolken — ihr Licht so gülden, daß es beinahe Substanz zu besitzen schien — und ließ das Blätterdach des Dschungels in einem schier überirdisch schimmernden Grün erstrahlen.
    »Da fragt man sich doch, warum die Heiden nicht kapituliert haben und zum Christentum übergetreten sind, bevor noch der erste Missionar Fuß auf dieses Eiland setzte, was?« feixte Mr. Clemens. Er ritt mit der arroganten Mühelosigkeit eines Menschen, der ein Großteil seines Lebens im Sattel verbracht hat. Das Wasser lief in Strömen von seinem Sombrero.
    Ich richtete mich auf und nahm die Zügel in die linke Hand, als wäre ich der Lenker meines Pferdes. »Sie sind kein Freund der Kirche hier, nicht wahr, Mr. Clemens?«
    Mein ungebetener Begleiter paffte einen Moment lang schweigend seine Zigarre, fast so, als würde er nachdenken. »Welche Kirche soll das sein, Miss Stewart?«
    »Die christliche Kirche, Mr. Clemens.« Ich war durchnäßt und wund und beileibe nicht in der Stimmung für jenes Geplänkel, das vielleicht in Missouri oder Kalifornien als geistreiche Unterhaltung durchgehen mochte.
    »Welche christliche Kirche soll das sein, Miss Stewart? Selbst hier haben die Heiden so viele, aus denen sie wählen können.«
    »Sie wissen sehr wohl, was ich meine, Mr.

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