Die Feuer von Eden
Eleanor sich auch immer befinden mochte, gewöhnlich war es ihre erste Tat, nachdem sie ihr Hotelzimmer bezogen hatte, die Straßen der Stadt zu durchstreifen und nach einer Gelegenheit zu suchen, sich die Haare schneiden zu lassen: einem Schönheitssalon, obgleich Tante Beanie ihr im Alter von fünf beigebracht hatte, über diesen Ausdruck zu lachen. Dort, während sie den Schnitt verpaßt bekam, der gerade in der betreffenden Stadt in Mode war, gelang es Eleanor fast immer, die sprachlichen und kulturellen Barrieren zu durchbrechen und Kontakt mit anderen Frauen aufzunehmen. Nachdem sich sich das Haar — und manchmal auch die Nägel — hatte machen lassen, war Eleanor mit genügend Informationen über die Stadt versorgt, um die wirklich guten Restaurants zu finden, in den wirklich guten Geschäften und Märkten einzukaufen, die wirklichen Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Oft kam es sogar soweit, daß sie am Ende mit einigen der Frauen, die sie unter den Trockenhauben kennengelernt hatte, aß und umherzog. Sie hatte Haarschnitte in Moskau und Barcelona, Reykjavik und Bangkok, Kioto und Santiago, Havanna und Istanbul über sich ergehen lassen... das Haar wuchs wieder nach, und sie ließ es sich schneiden, bevor sie im Herbst ans College zurückkehrte. In der Zwischenzeit wurde sie in dem Land, das sie gerade bereiste, oft für eine Einheimische gehalten — Kleidung in den Läden zu kaufen, die ihr die Frauen im Schönheitssalon empfohlen hatten, war zumeist der zweite Tagesordnungspunkt auf ihrer Liste —, und das half, Barrieren zu überwinden.
Jetzt fragte Eleanor sich, wo sich wohl die Frauen, die im Mauna Pele arbeiteten, frisieren ließen. Der Schönheitssalon des Ferienhotels hätte auch ebensogut in Beverly Hills sein können. Eleanor wußte, daß das Personal meilenweit mit dem Bus herangekarrt wurde, manchmal sogar aus Hilo.
Sie schaute auf ihre Uhr. Es war Zeit für die Kunstführung. Im Veranstaltungsprogramm hatte nur gestanden, daß man sich bei den Buddhas in der Empfangshalle einfinden sollte, aber Eleanor sah niemanden sonst warten. Die Buddhas schienen aus vergoldeter Bronze zu sein, und bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, daß es sich überhaupt nicht um Buddhas handelte. Eleanor hatte genügend Zeit auf Reisen im pazifischen Raum verbracht, um diese Statuen als kniende »Buddha-Schüler« zu erkennen, die Hände zum Gebet gefaltet, ihre Körper unter der vergoldeten Bronze und den Gewändern aus Spiegelglas mager. Eleanor schätzte, daß sie vermutlich aus Thailand oder Kambodscha stammten.
»Thailand«, sagte eine wohltönende Stimme hinter ihr. »Spätes achtzehntes Jahrhundert.«
Eleanor drehte sich um und sah einen Mann von etwa ihrer Größe, vielleicht ein paar Jahre älter, obgleich sein Gesicht so faltenlos war, wie man es oft bei Menschen asiatischer oder polynesischer Abstammung fand. Sein Haar war kurz geschnitten, dicht gelockt und teilweise ergraut. Die Augen hinter der runden Armani-Brille waren groß und ausdrucksvoll. Er war glatt rasiert; seine Haut hatte die Farbe des dunklen Holzes, das für einige Ornamente in der Big Hale verwendet worden war. Er trug ein weites Hemd aus schwerer marineblauer Seide, eine Leinenhose und Sandalen.
»Dr. Kukali?« sagte Eleanor und streckte die Hand aus.
Sein Handschlag war angenehm. »Paul Kukali«, erwiderte er in demselben samtigen Bariton, der sie augenblicklich aus ihrer Versenkung gerissen hatte. »Und Sie scheinen heute die gesamte Kunstführungsgruppe zu sein. Darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen?«
»Eleanor Perry«, stellte sie sich vor.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Ms. Perry.«
»Da unsere Gruppe so klein ist, reicht ›Eleanor‹ völlig«, sagte sie, dann wandte sie sich wieder zu der Statue um und blickte zu dem Zwilling hinüber, der auf der anderen Seite des Eingangs kniete. »Und diese Schüler sind wunderschön.«
Paul Kukali sah sie bewundernd an. »Ah, Sie sind damit vertraut, was diese Statuen darstellen. Haben Sie bemerkt, daß es kleine Unterschiede in ihrem Aussehen gibt?«
Eleanor trat einen Schritt zurück. »Jetzt schon. Ihre Nasen sind ein wenig unterschiedlich. Ihre Gewänder weichen leicht ab. Sie haben beide die langen Ohrläppchen, die königliche Abstammung bedeuten..«
»Lakshana«, erklärte der Kurator für Kunst und Archäologie.
»Ja, aber die Ohren dieses Schülers sind hier einfach... größer«, kicherte Eleanor.
Der Kurator trat näher heran und legte die Hand auf die
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