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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Clemens«, gab ich zurück. »Ihre Bemerkungen haben Verachtung für die Bemühungen dieser tapferen Missionare offenbart. Und Verachtung des Glaubens, der sie so weit weg von ihren geruhsamen Heimen entsandt hat.«
    Nach einem kurzen Moment nickte Mr. Clemens leicht und faßte sich an seine Krempe, damit das Wasser ablief. »Ich hab mal eine Missionarin gekannt, die hierher auf die Sandwich-Inseln geschickt wurde. Eine wirklich bemerkenswerte Geschichte. Sie kam aus St. Louis. Um genau zu sein, kannte ich ihre Schwester... eine großzügigere Frau könnte man sich gar nicht wünschen... wahrlich, wenn man etwas wollte, und diese Dame hatte es, dann konnte man es ohne lange Umschweife haben. Und sogar mit Vergnügen.«
    Der Korrespondent schien sich in dieser glücklichen Erinnerung zu verlieren, so daß ich nach einer Weile, in der kein Laut zu hören war, außer dem auf uns einpeitschenden Wind und dem Hufgeklapper, sagte: »Nun, was war mit ihr?«
    Mr. Clemens wandte seinen Schnauzer und seine glühende Zigarre in meine Richtung. »Mit wem?«
    »Der Missionarin«, erklärte ich aufgebracht. »Der Schwester Ihrer Bekannten, der Missionarin, die hier auf die Sandwich-Inseln kam.«
    »Ahhh«, sagte der Korrespondent und nahm die Zigarre aus dem Mund, um Asche auf seinen Sattelknauf zu klopfen. »Nun, sie haben sie verspeist.«
    Ich muß gestehen, daß mich diese Antwort doch etwas unvermittelt traf. »Wie bitte?«
    »Sie haben sie verspeist«, wiederholte Mr. Clemens, die Zigarre wieder fest zwischen den Zähnen.
    »Die Eingeborenen«, hauchte ich bestürzt. »Die Hawaiianer?«
    Mr. Clemens sah mich mit einem Ausdruck an, den man ebenfalls für Bestürzung halten mochte. »Natürlich die Eingeborenen. Was glauben Sie denn, wen ich meine, Miss Stewart... die anderen Missionare?«
    »Wie schrecklich.«
    Er nickte, offenkundig nun selbst an seiner Geschichte interessiert. »Sie sagten, es täte ihnen leid. Die Eingeborenen, meine ich. Als die Familie der armen Frau ihre Habseligkeiten abholen lassen wollte, sagten die Eingeborenen, daß es ihnen wirklich zutiefst leid täte. Sie sagten, daß es ein unglücklicher Zufall gewesen sei. Sie sagten, es würde nicht wieder vorkommen.«
    Ich konnte ihn nur anstarren. Unsere Pferde setzten ihre Hufe mit Bedacht auf der nassen Lava auf.
    »Ein Zufall«, sagte ich spöttisch.
    Er schob die Zigarre in den anderen Mundwinkel. »Da stimme ich Ihnen zu, Miss Stewart. Das war kein Zufall. Nein, denn es gibt überhaupt keine Zufälle.« In der Dunkelheit hob er einen Arm von seinem Staubmantel, und sein Finger wies himmelwärts. »Es war göttliche Vorsehung, die dafür sorgte, daß die Schwester meiner Freundin aus St. Louis verspeist wurde... es ist alles Teil des großen kosmischen Plans!«
    Ich wartete.
    Mr. Clemens wandte sich in meine Richtung, ließ so etwas wie ein Lächeln unter seinem Schnauzer aufblitzen und gab seinem Pferd die Sporen. Er preschte in einem Bogen um Reverend Haymark und die beiden Burschen — die nunmehr in dumpfes Schweigen verfallen waren —, um Hananui wieder einzuholen.
    Vor uns, jenseits einer Baumgruppe, die den ersten Hain darstellte, den wir seit Stunden zu Gesicht bekommen hatten, färbten sich der Himmel und die Erde feuerrot von einem Lichtschein, lodernder als der reflektierte Sonnenuntergang, der inzwischen längst erloschen war. Wasserlachen um uns herum verwandelten sich in scharlachrote Teiche, so daß ich, wie ich gestehen muß, vor meinem geistigen Auge Visionen von Heiden sah, die auf dem schwarzen Fels Menschenopfer darbrachten und diese Blutlachen zurückließen.
    Und dann erblickte ich den Vulkan in seiner ganzen Pracht. Wir näherten uns Madame Peles Feuern.
     
    Um die Zeit bis zur Kunstführung totzuschlagen, machte Eleanor einen Spaziergang über das Mauna-Pele-Anwesen. Sie bekam langsam ein Gefühl für die Anlage. Östlich der Big Hale waren die Gärten, ein Palmenhain, eine der drei Tennisanlagen und die beiden 18-Loch-Golfplätze, der eine sanft nach Norden zur Küste abfallend, der andere im Süden. Westlich der Big Hale lagen der Meerespark, weitere Gärten, Wasserfälle und Lagune, die Shipwreck-Bar, der Rochenteich und eine halbe Meile halbmondförmigen Strands. Wenn man in südlicher Richtung am Strand entlangging, konnte man den dichten Wald sehen, in dem die meisten der hales standen — Eleanors eingeschlossen. Wenn man dem Strand nach Norden und dann der langen, felsigen Landzunge seewärts folgte, stieß man auf die

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