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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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anzutreten.
    Ich muß gestehen, daß ich recht gemischte Gefühle ob Mr. Clemens’ Aufnahme in unser fideles Grüppchen hegte; einerseits drohte sein Zynismus die spirituelle Dimension eines möglicherweise erhabenen Erlebnisses zu schmälern; andererseits waren sowohl der junge Smith als auch der junge McGuire langweilig und gänzlich außerstande, eine längere Unterhaltung zu führen, ganz zu schweigen davon, sie mit Witz und geistreichen Bemerkungen zu spicken. Und der asthmatische Reverend Haymark schien nur an Paulus’ Galaterbriefen und Essen interessiert. So kam es, daß ich Mr. Clemens ausdrucksvolle Stirn, seine ungebändigten Locken und den draufgängerischen Schnauzer fast schon mit Erleichterung begrüßte.
    Unser Führer, Hananui, der ganz in der farbenfrohen Manier der Eingeborenen gekleidet und mit Blumenketten behangen war, verschwendete keine Zeit mit langer Vorstellung oder Erklärungen der vor uns liegenden Reise, sondern gab statt dessen seinem Pferd die Sporen und führte uns im Galopp aus Hilo heraus. Ich hatte die Wahl, so zu tun, als würde ich mein Pferd lenken, oder mich mit beiden Händen am Sattelknauf festzuklammern und mich so zumindest auf dem Tier zu halten. Ich entschied mich für letzteres.
    Schon bald hatten wir die hübschen kleinen Häuser und die schmucken kleinen Türme hinter uns gelassen und preschten durch einen Dschungel von solch ungezähmter Unberührtheit, wie ich es noch nie kennengelernt hatte. Höher und höher stiegen wir inmitten dieser wilden Pracht, auf einem festen Pfad aus schwarzer Lava, der kaum einen halben Meter breit war. Ich klammerte mich noch immer an den Sattelknauf, der große, weichkrempige Hut, den ich einige Monate zuvor in Denver erstanden hatte, baumelte mir an seiner Schnur um den Hals, und ich hatte alle Mühe, beständig nach niedrigen Ästen und herabhängenden Ranken Ausschau zu halten, auf daß ich nicht von meinem Pferd geworfen wurde — ein halsstarriges Tier, von dem ich zuerst glaubte, es hieße »Leo«, allerdings mußte ich später feststellen, daß dieser Name nur eine Verballhornung des hawaiischen Wortes für »Pferd« — lio — war. Nachdem wir diesen tropischen Wald durchquert hatten, kamen wir bald durch ebenso dichtbewachsene Zuckerrohrfelder. Hier, ungefähr eine Stunde Ritt oberhalb von Hilo, legten wir eine Rast ein, während Hananui Blechbecher mit kaltem Tee an uns verteilte.
    Nach unserer Teepause galoppierten wir aus den Zuckerrohrfeldern und letzten Baumhainen auf die pahoehoe (oder auch glatte Lava), die sich, so weit das Auge reichte, den Berg hinaufzog. Eine solche Einöde — die sich gut und gern zwanzig Meilen oder mehr erstreckte — hätte wohl selbst den unerschrockensten Reisenden zur Umkehr veranlaßt, hätte es da nicht jenen überschwenglichen Bewuchs mit Farnen und Gräsern gegeben, der die Kargheit dieser schwarzen Wüste milderte. Während wir immer höher stiegen und der Pazifik weit unter und hinter uns im warmen Schein der Nachmittagssonne funkelte, konnte ich mühelos ein Dutzend Farngattungen bestimmen, darunter die liebliche Microlepia tenuifolia, die weitverbreitete Sadleria, die struppige Gleichenia Hawaiiensis und die kleinblättrige ohias (Metrosideros polymorpha) mit ihren scharlachroten Blüten.
    Die menschliche Gesellschaft ließ derart bunte Vielfalt vermissen. Hier auf den Lavafeldern war der Pfad breiter geworden, und unsere kleine Truppe teilte sich in Paare. Hananui und der redselige Mr. Clemens führten uns an. Die jungen Master Thomas McGuire und Smith (die Zwillinge wurden nie bei ihren Taufnamen gerufen, da es ohnehin unmöglich schien, sie auseinanderzuhalten) folgten, während Reverend Haymark und ich die Nachhut bildeten. Der Geistliche schien sich im Sattel nicht wohl zu fühlen, ebensowenig wie das kleine Pferd unter ihm sich mit seiner Leibesfülle wohl zu fühlen schien, und ihr gemeinsamer Mangel an Begeisterung hielt das Tempo mehr zurück, als wenn sich die anderen Männer meiner langsameren Gangart angepaßt hätten.
    Mr. Wendt hatte uns erzählt, daß die Reise nicht ohne Anstrengungen war — mehr als dreißig Meilen, die meisten davon über die weiten Lavafelder, bei einem Höhenunterschied von gut eintausendzweihundert Metern —, aber ich hatte dennoch nicht die Erschöpfung erwartet, die ich empfand, als wir nachmittags das »Rasthaus«, wie Hananui es nannte, erreichten. Dieser Ausdruck beschwor Visionen von bequemen Sesseln, heißem Tee und warmen Scones

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