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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Pulverkammer hinter dem Alten Becken und der Remise für den Bucintoro in die Luft gegangen war, war nur noch ein Haufen Ruinen. Durch die Explosion der Torre San Cristoforo, wo unvorstellbare Mengen an Schießpulver lagerten, hatte die Zerstörung sich bis zur Torre San Francesco fortgesetzt und über die Hälfte der großen Umfriedungsmauer um das Arsenale in Schutt und Asche gelegt.
    Sofia verspürte einen Stich im Herzen. Vom Ufer der Lagune, wo die Sagredo-Häuser gestanden hatten, bis zum Kloster der Celestia, an das nur ein Stumpf des Turms und die Apsis der Kirche erinnerten, war alles eine ebene Fläche aus Schutt. Irgendwo in diesem verwüsteten Gelände war ihr Sohn gestorben.
    »Und die da oben«, sagte Clara flüsternd, zu Sofia hinübergebeugt, »wollen uns für dumm verkaufen und uns weismachen, dass es der Türke war, der das gemacht hat.« Ihre Augen glühten vor Hass.
    Sofia sah sie entsetzt an. »Sie haben doch gesagt, es sei dieser Jude gewesen   … Miches, ein Freund der Türken«, gab sie leise zurück.
    Clara zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, das stimmt nicht   …«
    Am Auftragstisch räusperte sich Marietta vernehmlich und lächelte. Sie wollte die beiden Näherinnen zur Ordnung rufen, ohne dem Tadel zu viel Gewicht zu verleihen. Sofia erwiderte den Blick mit einem zaghaften Lächeln und nähte emsig weiter, doch unterdessen rückte sie unmerklich an Clara heran, indem sie den Schemel fest zwischen die Oberschenkel nahm und bewegte. Clara tat dasselbe, und aus den fünf Fuß Abstand zwischen ihnen wurden drei.
    »Im Arsenale redet man von nichts anderem«, fuhr Clara atemlos fort. »Es hat einen großen Diebstahl gegeben. Wusstest du das nicht?«
    Sofia verneinte.
    »Der Oberschreiber hat’s gemerkt, als er das Rechnungsbuch kontrolliert hat. In der Nacht der Explosion sind fünfhundert Golddukaten, vielleicht sogar tausend, aus der Kasse der Patroni d’Arsenàl , unten im Palazetto Inferno, verschwunden.«
    »Heilige Jungfrau Maria!«, entfuhr es Sofia.
    »Es geht noch weiter.« Claras Stimme war zu einem Hauch geworden. »In jener Nacht waren in der Kasse noch weitere dreitausend Dukaten, aber die haben sie nicht angerührt! Kannst du das verstehen?«
    »Sie haben sie nicht gesehen.«
    »Wie bitte? Die lagen vor ihren Augen, frisch geprägt, schon auf Säckchen verteilt   … Nein, die wollten sie nicht sehen.«
    »Verrückt, die Diebe waren verrückt!«
    »Warte, das ist noch nicht alles. Die Kasse ist nicht aufgebrochen worden und die Tür zum Zimmer der Patroni auch nicht.«
    »Hatten sie die Schlüssel?«
    Clara zuckte nur mit den Achseln.
    »Also unsere Leute? Leute vom Arsenale?«, fragte Sofia ungläubig.
    »So heißt es.«
    Sofia hob die Augen, weil Marietta sich hinter Clara gestellt hatte.
    »Ihr Schnecken! Wer so viel redet, bleibt bei der Arbeit zurück.« Ihr Verweis kam mit lauter Stimme, aber ohne Bosheit. Dann zeigte sie auf Clara. »Du gehst zur zehnten Bahn«, befahl sie und bedeutete der Näherin, die dort arbeitete, mit einem Wink, sich auf Claras Platz zu setzen.
    »Ich erzähl’s dir später«, konnte diese Sofia noch zuflüstern, bevor sie aufstand und der Anweisung gehorchte.

75
    Die Wahrheit lag vermutlich in einem kleinen Stück Blei, eine halbe Unze schwer, das in einem Eichenbalken steckte, in den die beiden Buchstaben C und X geschnitzt waren.
    Mit den Strömungen in der Lagune hatte sich der Balken im Rio di Ponte Lungo auf der Giudecca zwischen den Anlegepfählen verkeilt. Ein alter Krebsfischer hatte das große Stück Holz entdeckt, als er seinen Korb mit männlichen Krebsen aus dem Wasser holte, die sich durch das herbstliche Abwerfen ihres Panzers bald in moleche verwandeln würden. Er hatte den Balken mit dem Bootshaken bis zur Barena im Westen, hinter den Gärten der Visconti di Milano, ziehen können.
    Dort überlegte er nun erfreut, ob er ihn zersägen sollte, um daraus starke Balken für sein Dach zu machen oder Bretter fürbequeme Bänke. Da sah er die eingeritzten Buchstaben und kurz darauf das zwei Zoll tief im Holz steckende Blei. Um Domenico Bosso, den Bezirksverwalter der Giudecca, zu benachrichtigen, brauchte er nicht mal eine halbe Stunde. Und Bosso, der die Initialen des Rates der Zehn erkannte und feststellte, dass in dem Holz etwas steckte, was wie eine Gewehrkugel aussah, postierte zwei Sbirren zur Bewachung des Balkens und machte sich eilends auf den Weg zum Dogenpalast.
    Bosso kehrte in Begleitung von Alvise

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