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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Catanio, Signore di Notte al Criminal, Nicolò da Ponte, Staatsinquisitor, und Andrea Dolfin, einem der drei Häupter der Zehn auf die Giudecca zurück. Bei ihnen waren außerdem zwei Verantwortliche des Arsenale: der Capitano und der Verantwortliche für das Holzlager. Ein Blick genügte, dann gab es keinen Zweifel mehr: Der Balken gehörte zu den Beständen des Arsenale, und nach seiner Form und der Art des Bruchs an beiden Enden musste er Teil eines Dachwerks gewesen und von einer Explosion herausgerissen worden sein. Unschwer ließ sich vermuten, um welche Art Explosion es sich gehandelt hatte. Das Stück Blei, das er enthielt, konnte jeder, der Erfahrung mit Waffen hatte, eindeutig als Kugel einer Arkebuse identifizieren.
    Am Nachmittag desselben Tages war der Balken an Bord eines Bootes der Zehn, mit einem Tuch bedeckt wie ein Leichnam, durch das Wassertor des Arsenale gefahren und wurde nun von der Zonta, die wegen der Explosion der Pulverkammern ermittelte, in einem behelfsmäßigen Lagerraum in Augenschein genommen. In diesem Raum waren alle nunmehr nutzlosen Materialien aufgehäuft, Steine, Ziegel, Hölzer, Metalle, Glasscheiben, aus denen vor der Explosion mehrere Lager und Abteilungen des Arsenale bestanden hatten: die Pulvermühle und die Werkstatt zur Herstellung der Brandtöpfe mit dem angeschlossenen Depot für Öle und Brennstoffe, außerdem die Depots für Kohle, Salpeter und Schwefel zur Herstellung verschiedener Arten von Schießpulver. In dieser Halle hatten dieArchitekten des Arsenale zusammen mit den Patroni und den Aufsehern über die Geschütze in geduldiger Arbeit die »Geister« dessen rekonstruieren können, was bis zur Katastrophe im September die nördliche Ecke des Arsenale gewesen war.
    Und in einen dieser Geister, den ein Schild mit der Aufschrift Pulverkammer III kennzeichnete, ließ sich der Balken unmissverständlich zwischen die anderen Bruchstücke der Dachkonstruktion einfügen. Was die ermittelnde Zonta schon befürchtet hatte, enthüllte sich damit in seiner ganzen tragischen Banalität. Wahrscheinlich hatte der Nachtwächter Marco Puti, der Bruder des Folterknechtes Bartolomeo, den schlimmsten Fehler begangen: Feuerwaffen in der Nähe der Pulverkammern oder sogar in ihrem Inneren zu benutzen.
    Der Beweis, dass Puti sich in der Pulverkammer III aufgehalten hatte, wurde drei Ellen tief im Erdboden gefunden. Ein unfehlbarer Beweis. Exakt eine Hälfte seines Gesichts, die linke, klebte wie ein Porträt von Carpaccio auf einer dicken Bronzeplatte, dem Deckel einer Lagerkiste mit schwerem Schwarzpulver für Kanonen und Feldschlangen.
    Also befragten der alte Nicolò da Ponte, Dolfin und Catanio mehrere Spezialisten, unter denen der Gießermeister Martino Seghezzi herausragte. Nachdem Seghezzi das Projektil so vorsichtig aus dem Balken herausgezogen hatte, dass kein einziges Karat Metall verlorenging, schickte er sich an, den letzten Beweis zu erbringen, nämlich das Blei zu wiegen und so seine Identität ein für allemal festzustellen. Zu diesem Zweck wurde auf einem Tisch mit Marmorplatte eine Präzisionswaage mit zwei Waagschalen bereitgestellt, die das Wiegen unter einer Glasglocke in absoluter Ruhe erlaubte.
    Zunächst wurde das Blei auf die übliche Weise gewogen, was 95 einhalb Karat ergab. Der Vergleich mit dem Gewicht der Arkebusen-Kugeln, die den Nachtwächtern zur Verfügung standen, ergab eine Abweichung von einem halben Karat im Verhältnis zu den 96 Karat der nicht explodierten Projektile.Bei der folgenden ballistischen Prüfung wurde eine ordnungsgemäß geladene Kugel mit einer Arkebuse der Wächter in einen zehn Fuß über dem Boden hängenden Balken aus Eichenholz geschossen, exakt die ursprüngliche Höhe des Daches der Pulverkammer. Durch den Aufprall verlor auch dieses Projektil, nachdem es sich erhitzt und verformt hatte, genau ein halbes Karat Gewicht.
    Stille senkte sich über die Versammlung in der Halle. Nicolò da Ponte nahm seine Mütze ab und fuhr sich mit den Fingern über die faltige Stirn und die schlohweißen Haare, als wollte er die Gedanken zurückhalten, die ihm durch den Kopf gingen. Auch alle anderen waren verstummt, denn nach wochenlangen Untersuchungen, Verhören und Vermutungen führte diese Bleikugel aus dem Balken die Ermittler nun unmissverständlich zu einer Reihe recht plausibler Ereignisse, deren Abfolge in dem kleinen Kreis Auserwählter schon jetzt unstrittig war.
    An jenem Dienstagvormittag, dem 13.   September zur Zeit der Terz,

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