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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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unsicher an der Schwelle zu dieser Nacht. »Und auch das Öl in der Leuchte ist alle.«
    »Seht Ihr!«, rief Marin, zu Ottobon gewandt, während er in das Dunkel hineintappte. »Sogar an der Beleuchtung spart Ihr, und meine Schüler können nicht arbeiten!«
    »Vater   …«, versuchte Ferigo ihn zu unterbrechen.
    »Schweig!«, befahl er schroff, um sich erneut an den Kanzler zu wenden: »Ihr habt uns in eine Abstellkammer verbannt, zusammen mit wurmstichigen Möbeln!«
    »Vater, wir haben den Text!«
    Ottobon blieb stehen. »Was hast du gesagt, mein Junge?«
    Doch bevor Ferigo antworten konnte, griff der alte Chiffreur abermals an.
    »Kümmert Euch nicht um meinen Sohn und sprecht mit mir! Was wolltet Ihr sagen?«
    »So beruhigt Euch doch! Habt Ihr denn nicht gehört?«, schrie Ottobon ihm ins Gesicht, dann wandte er sich an Ferigo. »Sprich, sag, was du uns mitteilen wolltest.«
    Der Junge sah seinen Vater an. »Wir haben den verschlüsselten Text übersetzt«, brachte er mit hauchdünner Stimme heraus.
    »Keine gewagten Behauptungen!« Marin warf ihm einen flammenden Blick zu.
    »Schaut selbst, ob das gewagt ist oder nicht, Maestro«, mischte sich Pietro Amadi ein. Und in dem Licht, das den Raum nun erhellte, zeigte er auf die Leinwand.
    Der alte Chiffreur schien zu schwanken. Er wühlte im Ärmel seines Umhangs und zog ein hölzernes Brillengestell mit dicken Gläsern hervor.
    »Bitte entschuldigt uns einen Moment«, sagte er mit einemgezwungenen Lächeln zu Ottobon, »es dauert nicht lange, nur eine kleine Familienzusammenkunft.« Er packte seinen Sohn und Pietro am Arm und schleifte sie vor die Leinwand.
    »Was ist denn in euch gefahren?«, zischte er beiden ins Ohr, damit der Kanzler ihn nicht hörte. »Ottobon wartet nur auf einen Fehler von mir, um mich rauszuwerfen.«
    »Es gibt keinen Fehler, Vater. Wir sind sicher, dass der Text richtig ist«, erwiderte Ferigo flüsternd.
    »Was redet ihr da!«, knurrte Marin. »Ihr hattet nicht mal das ganze Schlüsselwort!«
    »Mit Hilfe dessen, was Ihr uns beigebracht habt, war es leicht zu finden«, erklärte Pietro versöhnlich.
    »Lasst sehen!«
    »Hier, bitte sehr.« Ferigo zeigte auf die Folge römischer Ziffern neben den Buchstaben des ersten vertikalen Alphabets. »Sieben Buchstaben, wie Ihr gesagt habt, aber in zwei Worten, seht Ihr   …«
    » Invitro «, las Pietro selbstgewiss, dann trennte er die Worte: » In vitro . Sie haben ein lateinisches Wort genommen.«
    Marin riss die Augen auf.
    »Himmelherrgott! Das ist richtig!«, rief er ungläubig aus und raufte sich die Haare.

73
    Die Einladung hatte Andrea bei seiner Rückkehr in die Locanda della Torre vorgefunden. Sie lehnte am Kandelaber auf dem alten Klostertisch.
    Um weitere Zerwürfnisse zwischen Lorenzo und Maria zu vermeiden, waren auch die Gespräche zwischen Andrea und dem Wirt vorsichtig geworden. An Höflichkeit hatten sie nicht verloren, doch sie blieben kurz und flüchtig, knappe heimliche Wortwechsel im Flur, auf dem Treppenabsatz, an der Wassertür oder in der Küche. »Ein Bote hat eine Einladung für Euch gebracht, ich habe sie Euch ins Zimmer gelegt.« Lorenzo hatte ihn an der Tür zum Vorratsraum angelächelt und war sofort verschwunden, als er Marias Schritte hörte.
    Das Schreiben auf dem Tisch in Graziosas Zimmer, das Andrea noch bewohnte, war sorgfältig gefaltet und versiegelt. In der Mitte prangte unter dem Motto Et duriora das Wappen der Compagnia degli Accesi mit der Sonne, deren Strahlen einen Diamanten zum Funkeln brachten.
    Taddea, war sein erster Gedanke, und sein Herz schlug schneller. Taddea hatte zur Compagnia degli Accesi gehört, als ihr ältester Bruder, Andrea Dolfin, der mit anderen die Gesellschaft gegründet hatte, von 1562 bis 1565 dort Schatzmeister gewesen war. Ein Schnitt mit dem Stilett, und das Siegel brach.
    Hochverehrter Avvocato Messer Andrea Loredan.
    Es war nicht Taddeas Handschrift, und die drei Zeilen waren mit Messer Ciacco signiert, ein Name, der Andrea sofort zum Lachen brachte. Denn mit dem Namen des großen Vielfraßes aus dem sechsten Gesang von Dantes Inferno unterschrieb sein Freund Luca Foscari immer, wenn er nur von Andrea erkannt werden wollte. Andrea selbst hatte ihm während ihrer Studienzeit diesen Spitznamen verpasst, der auf Lucas schamlose pantagruelische Völlereien bei jeder Gelegenheit und an jedem Ort anspielte.
    Luca lud ihn an diesem Abend ins Theater von San Cassiano im Atrium des Klosters der Carità ein, wo die mittlerweile

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