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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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aufgelöste Compagnia degli Accesi mit dem Segen der Häupter der Zehn Geld für die Armen sammeln wollte, die nach der Explosion des Arsenale ohne Obdach geblieben waren. Man würde die große Vergangenheit der Schauspieltruppe wiederaufleben lassen, mit einer Aufführung »der wahrhaftig trefflichen und unerreicht schönen paduanischen Komödie La Moscheta von Angelo Beolco, genannt Ruzante«. Das Billett besagte auch, dass die Anwesenheit »reizender, anmutiger Damen« willkommen sei.
    Natürlich ahnte Andrea den wahren Grund für diese Einladung an einen Ort voller Menschen, wo das Bühnengeschehen Gelächter, Applaus und begeisterte Anteilnahme hervorrufen und jenes ansteckend fröhliche Durcheinander schaffen würde, das es Luca ermöglichte, Andrea die ernsten, ja gefährlichen Dinge mitzuteilen, die der Freund ihm gegenüber angedeutet hatte.
    Freilich stellte sich mit dieser Einladung das Problem Taddea. Zumal im Rahmen einer solchen Wohltätigkeitsveranstaltung, bei der die Familie Dolfin eine tragende Rolle spielte. Andrea war sich sicher, dass er ihr begegnen würde oder zumindest ihrem Bruder Andrea, der seit dem Tod des Vaters in der Familie das Sagen hatte.
    Dieser Gedanke zog unfreiwillig einen anderen nach sich: den an Sofia. Andrea fühlte sich, als hätte er eine Stufe übersehen und müsste nun mühsam das Gleichgewicht wiederfinden. Er dachte an ihr trauriges Lächeln, ihre vertrauensvollen und verzweifelten Blicke. Ihm war, als könne er den Duft ihrer Haut riechen, der an mit Sonne und Salzluft getränkten Sand erinnerte. So verharrte er, ohne zu atmen, erschrocken über das, was er soeben empfunden hatte. Der Wunsch, sie wiederzusehen, und der Gedanke, sie zu dieser Abendeinladung mitzunehmen, tauchten gleichzeitig auf, doch die knappe Zeit und das Nachdenken darüber, ob das angemessen war, stellten sich ihm in den Weg.

74
    Die gewaltige Streitmacht entstand in einem Gebäude mit zwei Geschossen, einhundert Fuß lang und hundert breit, erbaut zwischen dem Alten und dem Neuen Hafenbecken, wenige Schritte vom Land- und dem Wassertor des Arsenale entfernt.
    Die ganz aus roten Backsteinen erbaute Werkshalle mit Säulen und Simsen aus istrischem Kalkstein, einem mit Terracottapfannen gedeckten Dach und großen Fensterfronten enthielt im Erdgeschoss die Werkstatt der Mastbauer und Schiffszimmerer und im ersten Stock mit Zwischengeschoss die Arbeitsräume der Segelnäherinnen. Gut sechzig Arsenalotti, Männer und Frauen, schufen mit ihren vereinten Handwerkskünsten jene Masten und Segel, die benötigt wurden, um dem wechselhaften Wüten der Winde Zügel anzulegen und Fusten, Karavellen, Galeeren, Galioten, Koggen, Karacken und Galeonen Fahrt zu verschaffen.
    Der Unterwerkmeister der Mastbauer und die Vorarbeiterin der Segelmacherinnen waren die Hohepriester in diesem Tempel der Forza grande, denn von ihrem Können hing das Leben der Mannschaften ab. Das begann bei der Auswahl der besten Hölzer, ging weiter mit der Auswahl des robustesten Segeltuchs und seinem Zuschnitt auf den Schablonen bis hin zum Zusammensetzen aller Teile und der Feinarbeit. Denn zwei Knoten Geschwindigkeit mehr, gewonnen durch ein starkes Großsegel, ein exakt zugeschnittenes Besansegel, konnten ein Schiff vor dem Feind retten. Und ein Mast mit einer Rahe von der rechten Größe, deren Härte und Biegsamkeit sich ergänzten, konnte dem schlimmsten Sturm länger standhalten.
    Zu dieser Werkstatt, die bei einem bevorstehenden Krieg bis zu dreihundert Menschen Arbeit gab, hatte Sofia immer gehört und gehörte ihr auch weiterhin an, doch nur in Zeiten größten Bedarfs, wegen ihres streitlustigen Charakters, der nicht zur Vermittlung neigte. Marietta Rosso, ihre Meisterin in der Werkstattder Segelnäherinnen, hatte sie aus vollster Überzeugung angestellt und immer gegen den Ruf einer Unruhestifterin verteidigt, da sie ihre handwerklichen Talente kannte, und obwohl sie es mehr als einmal hatte bereuen müssen, ließ sie Sofia arbeiten, wann immer sie konnte. Auch an diesem Montag, als sie bei Tagesanbruch vom Admiral den Auftrag erhalten hatte, den Bestand an Segeln aufzustocken, hatte sie Sofia rufen lassen.
    In Anbetracht ihrer desaströsen wirtschaftlichen Lage hatte Sofia, als der Lehrling erschien, der sie aufforderte, sofort mitzukommen, den Jungen vor Freude umarmt. Dann war sie zum Arsenale gelaufen und hatte auf dem Weg noch schnell in der Kirche San Martino zwei Kerzen vor der Madonna der Seeleute angezündet, eine

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