Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Dröhnen und die Vibration aufhörten, gab Bepo Rosso, der sich mit derselben Befürchtung umgesehen hatte, Andrea ein Zeichen, näher zu kommen.
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Wenn es einen Weg gab, um diese Hölle zu überleben, dann hatte der Alte ihn wahrscheinlich gefunden. Sein umgekipptes, beinahe unversehrtes Boot zu entdecken war natürlich der erste, entscheidende Schritt gewesen. Es zu benutzen, um durch die Mauern aus Feuer zu dringen, gehörte indes zu jenem großen Repertoire an wichtigen Eingebungen, dank derer er trotz derbösen Absichten seiner Feinde und des ständigen Kampfes mit dem Schicksal alt und grau geworden war.
Darum war er, als er die Mitte des glühenden Tümpels erreicht hatte, unter dem Boot hervorgekommen und hatte die Bootswand befeuchtet als wäre sie der Rücken eines verschwitzten Pferdes. Dann hatte es eine neue, starke Explosion gegeben, und er hatte sich sofort wieder unter seinem Schild versteckt. Das Boot war zwar aus robusten, ein Zoll dicken Mahagoniholzplanken gebaut, doch der Bug war wegen der Nähe der Flammen und der Druckwelle der Explosion in sehr schlechtem Zustand. Denn in jener Nacht, etwa eine Stunde nach Mitternacht, war der Alte wie vereinbart am Ufer der Celestia, dort, wo die Nordwand des Klosters in die Gartenmauer überging und sich bis zum Kanal des Arsenale hinzog, an Bord des von seinem Gehilfen gesteuerten Bootes gegangen. Bei der ersten Explosion, die den größten Teil eines Lagerdaches abgedeckt hatte, hatte er noch versucht, zurück auf die Lagune in Richtung Murano zu gelangen, doch schon nach wenigen Ruderschlägen hatte eine zweite Explosion sie direkt getroffen. Das Boot, dessen Bug der Druckwelle ausgesetzt war wie ein Blatt dem Herbststurm, hatte sich aufgebäumt und überschlagen, was die beiden Insassen vor dem Stoß beschützte. Benommen, taub und mit vernebeltem Blick, hatte der Alte versucht, seinen Gehilfen davon abzuhalten, zur Celestina, dem nächstgelegenen festen Boden zu schwimmen, er hatte ihm zugerufen, er solle zurückkommen, denn hinter der Mauer des Arsenale liegen noch Berge von Schießpulver. Vergebens. Da hatte er sich von ihm getrennt und war dem Ufer von San Francesco della Vigna zu geschwommen. Dann hatte es weitere Explosionen gegeben, das Öl hatte Feuer gefangen, und der Wind hatte zusammen mit der Strömung den Rest besorgt, um diese rettende Tür vor ihm zuzuschlagen.
Doch er war zäh, und jetzt durchquerte er, mit den Beinen paddelnd und das umgekippte Boot mit den Armen vorwärtsschiebend, unter seinem Schild das Feuer. Denn an der Oberfläche brannte zwar das Öl, aber schon einen halben Zoll tiefer herrschte unangefochten das Wasser. Und der Bootsleib, dessen Bordwände gut zwei Handbreit tief im Wasser lagen, ließ das Feuer nicht hinein.
Zum Problem wurden allenfalls die Größe des Flammenwaldes, den er durchqueren musste, und die Widerstandskraft der Schiffshaut über längere Zeit. Der Alte wusste, dass zum Beispiel ein dünnes Blatt Papier, wenn es nass war, glühendem Glas widerstehen, es sogar verformen konnte. Er wusste auch, dass Kalfaterer die feuchte Bootshaut mit Fackeln bearbeiteten, um sie mit Stoppeln, Talg und Pech abzudichten. Und das alte Mahagoniholz dieses Bootes musste schon recht viel Wasser getrunken haben. Was hätte er außerdem tun können? Also blieb er unter seinem Schild, im brennenden Wasser, atmete die schmutzige Luft, die immer wärmer wurde, und hoffte, dass nicht irgendwann eine Flamme zwischen den Planken hervorschießen würde. Wenn er wirklich geglaubt hätte, dass es half, hätte er gebetet, doch er hatte zu viel gesehen, zu viel gelitten. Also tat er das Einzige, was ihm einfiel, wenn die Angst ihn auffraß. Er fing an zu singen.
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Die Äbtissin hatte die Augen halb geschlossen, ihr Atem ging schnell und unmerklich, ein Faden Blut rann aus ihrem Mundwinkel und hatte einen roten Fleck auf der zerrissenen, rauchgeschwärzten Ordenstracht hinterlassen. Die Novizin stützte ihren Kopf mit einem Arm, mit der anderen Hand benetzte sie ihr von Zeit zu Zeit die Stirn. Eine Stirn voller Falten. Falten furchten auch ihre Wangen, nur die Wangenknochen waren glatt wie Inseln im sturmgepeitschten Meer. Falten zogen sich fächerförmig um die Lippen, die einst schön gewesen sein mussten. Andrea sah die schütteren, weißen Augenbrauen, dann ging seinBlick an dem faltigen, dünnen Hals hinab, über die fast reglose Brust ohne Atem, bis zu den verkrümmten Händen.
»Nach der Komplet«, sagte die alte Nonne
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