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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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fuchtelte einen Augenblick mit den Armen in der Luft und blieb dann reglos zwischen den Steinen liegen.
    »Ihr habt ihn getroffen!«, rief Andrea ungläubig aus.
    »Unmöglich, Signor Capitano«, erwiderte einer der beiden.
    »Er ist gestürzt!«, fuhr Andrea ihn an.
    »Wir haben in die Luft geschossen, Capitano.«
    »In die Luft!«, bestätigte der andere.
    Andrea ließ den Blick über das Trümmerfeld schweifen und fasste dann den Fante ins Auge, der unbefangener zu sein schien. »Himmel Herrgott, ihr habt ihn getroffen!«, schrie er. Dann nahm er sich zusammen und befahl: »Geht nachschauen!«
    »Jawohl!«
    Mit schnellen, synchronen Gesten luden die beiden Fanti ihre Arkebusen, indem sie das Blei in den Lauf steckten, es mit dem Stab hineindrückten und ihn mit Papier verschlossen. Sie schulterten die Gewehre und eilten, von Stein zu Stein hüpfend, als durchquerten sie eine Furt, in Richtung der Flüchtenden. Andreas Blick folgte ihnen, und als er sich an das schwache Licht des aufziehenden Morgens gewöhnt hatte, sah er in dem verwüsteten Gebiet andere Soldaten und viele Bürger umherirren. Helfer und Überlebende. Einige von ihnen gruben immer noch in den Trümmern, es konnten sowohl Diebe als auch Unglückliche sein, die alles verloren hatten und nun versuchten, sich in irgendeinem geliebten, vertrauten Gegenstand wiederzufinden. Ihr Graben erzeugte ein ganz ähnliches Geräusch wie das, was Andrea in den Mergelgruben der Euganeischen Hügel gehört hatte, wo die Steinmetze den ganzen Tag lang, vom Läuten zur Laudes bis zur Glocke der Komplet arbeiteten wie Termiten, die sich durch Balken aus Erlenholz fraßen.
    Sie haben ihn umgebracht, dachte Andrea entsetzt, während die beiden Fanti den Gefallenen fast erreicht hatten und seine Kumpane, mittlerweile am Strand angekommen, von der Rauchwand verschluckt wurden, die sie in Sicherheit brachte.
    Andrea sah, wie einer der beiden Fanti sich über den Dieb beugte, und rief: »Nun, wer ist es?«
    »Er ist sehr jung!«, war die Antwort.
    Andrea schloss verzweifelt die Augen, denn wenn diese jungen Männer ihn an ihrer eigenen Jugend maßen, musste er noch jünger sein als sie. Fast noch ein Kind.
    Er schaute sich um, in der Hoffnung, die untersetzte, beruhigende Gestalt von Bepo Rosso zu erblicken, der ihn in diesem Moment hätte unterstützen können. Doch die ersten Brisen des Levante, eines Windes, der am Meer den Sonnenaufgang begleitet, lenkten die weißen Rauchwolken der Brandherde in eine neue Richtung. Die Luft wurde dick, gesättigt mit einer Mischung aus Gerüchen, die das Atmen unerträglich machten. Der Horizont verschloss sich, die Menschen begannen zu husten, und obwohl der Tag unaufhaltsam voranschritt, schien ein Schwarm nächtlicher Schatten erneut zu triumphieren.
    Andrea, der gerne zu den beiden Soldaten gegangen wäre, wie sein Gewissen ihm riet und seine Rolle als Capitano verlangte, beschloss dennoch, auf den Werkmeister des Arsenale zu warten. Mittlerweile sah man nur noch ein paar Schritt weit, was angesichts des Todes und so großer Zerstörung fast eine Erleichterung war. Er begann zu husten und versuchte, die Luft durch ein Taschentuch vor dem Mund zu filtern. Doch dieser Pesthauch von verkohlten Stoffen, Hanf, Holz, Farben, Klebern und Fetten, alles Materialien, die ein Schiff ausrüsten, drang unaufhaltsamer und schädlicher in die Lungen als die Höllenluft, die sich beim Erhitzen von Fischleim oder beim Kalfatern der Boote mit Pech entwickelt. In der Ferne hörte Andrea weitere Schüsse. Er wandte sich um, und sein Blick fiel auf den Tabernakel über dem Altar: Das Türchen stand offen. Als er die drei Stufen zum Altar hinaufstieg, sah er einen umgestürzten Kandelaber und das auf den Steinboden gefallene, offene Messbuch. Das Lesepult war verschwunden. Die Explosion konnte es nicht gewesen sein, sie war nicht bis hierher gekommen. Im Tabernakel fehlte der Hostienkelch. Andrea hoffte inständig, die Nonnen hätten ihn weggebracht, doch die umgestürzten Gegenstände zwangen ihn, an Schlimmeres zu denken.
    »Ich musste bis ins Arsenale gehen.« Bepo Rossos raue Stimme erklang von links. Der Werkmeister tauchte aus dem Nebel auf, über der Schulter zwei in Stoff gewickelte Holzstangen. Er blieb an der untersten Stufe stehen. »Ich habe diese Pritsche aus einer Galeere geholt. Wie geht es der Mutter Oberin?«
    »Sie ist tot«, gab Andrea nur mit abwesender Miene zurück.
    Der Werkmeister sah ihn resigniert an. Er ließ die Pritsche von

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