Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
waren angespannt und sorgenvoll. Luca beugte sich zu Andreas Ohr.
»Der Mann, der die Äbtissin Vivarini umgebracht hat, ist auch der Mörder von Tonino Ruis«, sagte er. »Die tödlichen Verletzungen sind identisch, man hat mit einem spitzen Eisen, einer großen Nadel, etwa eine Spanne lang, auf der Höhe des Herzens zugestochen.«
Andrea blickte ihn an, dann fragte er: »Stand das im Totenschein der Provveditori alla sanità?«
»Ja, es hat dort gestanden, wurde aber gelöscht. Geheimhaltungsbefehl der Zehn.«
Bestürzt fragte Andrea: »Wie hast du dann …?«
»Sie haben vergessen, das darunterliegende Blatt zu entfernen«, erklärte Luca. »Die Feder hat auf dieses Papier durchgedrückt, als ich mit dem Kohlestift darüber gegangen bin, ist der Satz zum Vorschein gekommen, aber ich hatte furchtbare Angst, es war sehr gefährlich.«
»Ich danke dir dafür.«
»Noch einmal tue ich so was nicht, vergiss es. Ich möchte in Ruhe und Frieden leben.«
In diesem Moment drehte Sofia sich zu ihnen um, und ihr strahlender Ausdruck schien sofort zu erlöschen, als sie Andreas beunruhigten Blick sah. Er machte ihr ein Zeichen, bemühte sich zu lächeln. Sie wollte ihm glauben, erwiderte das Lächeln und wandte sich wieder der Komödie zu.
»Sie ist wirklich schön«, bemerkte Luca flüsternd, »und für eine Frau aus dem Volk trägt sie ein verflucht kostbares Kleid.« Andrea zögerte, hustete. Luca musterte den Freund zweifelnd, dann wurde sein Ton schärfer. »Jedenfalls scheint es mir sehr unvorsichtig, sie hierher zu bringen.« Er wies auf die Logen an der gegenüberliegenden Seite. »Hast du nicht gesehen, wer da ist?«
Andreas Blick fiel zuerst auf einen Cavaliere im prächtigen Gewand der Accesi. Er war von kräftiger Statur, der unverwechselbare schwarze Haarschopf und der dunkle Bart ließen keinen Zweifel: Andrea Dolfin, ehemaliger Schatzmeister der Accesi und Taddeas älterer Bruder. Seine beiden halbwüchsigen Söhne,Daniel und Benetto, saßen neben ihm und schienen sich köstlich zu amüsieren.
»Als ihr angekommen seid, sprach ich gerade mit den Dolfin«, sagte Luca.
Im Schatten der Loge sah Andrea einige weibliche Gestalten, aber es war zu dunkel, um Taddea zu erkennen. »Ist sie auch da?«, fragte er nur.
»Natürlich«, antwortete Luca sofort. »Seit Wochen sprecht ihr nicht mehr miteinander, meinst du nicht, dass …?« Er konnte den Satz nicht beenden.
»Signori, wenn Ihr so viel zu besprechen habt, warum tut Ihr das nicht draußen?«
Beide drehten sich um. Der junge Mann, der neben ihnen saß, ebenfalls im Gewand der Accesi, sah sie ärgerlich an.
»Entschuldige, Domenego«, sagte Luca eilig. Er wechselte einen Blick des Einverständnisses mit Andrea, und ohne dass es noch eines Wortes bedurft hätte, erhoben sich beide so leise wie möglich und verließen die Loge. Draußen kamen die Stimmen der Schauspieler, auch der Applaus und das Gelächter gedämpft an.
»Was hast du sonst noch entdeckt?«, drängte Andrea.
Luca schloss halb die Augen, und winzige Falten zeichneten sich in seinen Augenwinkeln ab. »Lass die Hände von dieser Geschichte, bitte hör auf mich!«, sagte er und sah Andrea eindringlich an. »Vergiss, was in der Celestia und im Kloster San Giacomo geschehen ist. Vergiss diese Toten. Zieh dich aus der Sache raus.«
»Was redest du da?«
Luca seufzte. »Ich werde es dir anders sagen: Ich will nicht, dass du die nächste Leiche bist, bei der ich eine Autopsie durchführen muss. Ist das klar?« Andrea sah den Freund nur stumm an. »Und um noch deutlicher zu werden, erzähle ich dir, dass jene alte Nonne, die erste Tote im Kloster San Giacomo, vergiftet wurde.
»Suor Clara?«
Luca nickte. »Genau die. Leonardo Fioravanti und ich haben die Sektion gemacht. Das Herz war gesund, sie hatte keine inneren Blutungen, auch keine schwarzen Steine in der Leber oder in den Lungen. Aber ihre Gliedmaßen waren verspannt, von Krämpfen deformiert, die Augen aus den Höhlen getreten. Fioravanti kennt sich gut aus mit der Wirkung bestimmter Pflanzen. Seiner Meinung nach, und ich pflichte ihm bei, wurde Suor Clara mit Teufelskraut vergiftet.«
»Und die Provveditori alla sanità?«
Luca schüttelte den Kopf. »Sie haben einen natürlichen Tod aufgrund von Herzbeschwerden bescheinigt, aber die Zehn wissen von der Vergiftung, der Sekretär Formento war dabei, als wir den Leichnam geöffnet haben.«
»Es ist also im Kloster San Giacomo passiert, wie bei der Novizin«, stellte Andrea
Weitere Kostenlose Bücher