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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Lächeln verbergend.
    Nach kurzem Zögern folgte Sofia gehorsam dem Rat und wedelte lebhaft mit der Hand wie ein kleines Mädchen am Fenster.
    »So nicht«, gebot er ihr zwischen zusammengebissenen Zähnen, »leichtes Nicken mit dem Kopf und ein Lächeln.«
    Sofia riss sich zusammen und passte sich der Verhaltensregel an.
    »Andrea!«
    Die warme, freundliche Stimme war Andrea vertraut. Fünf oder sechs Schritte entfernt, sprang Luca Foscari mit hoch aufflatterndem Umhang aus purpurroter Seide von der Bühne auf die Terrakottafliesen und kam ihnen entgegen. Er hatte zu diesem Anlass das Gewand des Dritten Priors der Accesi angelegt, der er bis zur Auflösung der Compagnia gewesen war. Unter dem Umhang trug er ein golddurchwirktes, mit einem feinen Blumenmuster besticktes Hemd, während ein roter und ein dunkelblauer Strumpf seine Beine bedeckten. An den Füßen leichte, ebenfalls dunkelblaue Babuschen.
    »Willkommen!« Schon bei diesen Worten war sein Blick an Sofia hängengeblieben.
    »Ich freue mich, dich zu sehen.«
    Die beiden Freunde umfassten einander nach römischer Art an den Unterarmen, wie sie es seit ihren Kindertagen gewohnt waren. Dann wandte Luca sich wieder Sofia zu, und Andrea beeilte sich, sie einander vorzustellen.
    »Signora, das ist Luca Foscari, ein guter Freund von mir.«
    Lächelnd deutete sie eine Verbeugung an.
    »Ich bitte Euch, Signora«, wehrte der Arzt überrascht ab,
    »Luca, das ist Signora Sofia Ruis«, murmelte Andrea verlegen. »Wollen wir uns setzen?«
    »Natürlich, kommt mit«, sagte Luca, auf die Logen weisend. Er ließ Sofia den Vortritt. »Hier entlang bitte, Signora. Die Moscheta wird gleich beginnen.« Als Sofia, die voranging, einen Schritt entfernt war, flüsterte er Andrea zu: »Bist du verrückt, mit ihr ausgerechnet hierher zu kommen?«
    »Ein wenig Zerstreuung wird ihr guttun«, sagte Andrea, und in seinen Augen glomm ein besonderes Licht. Luca erstarrte. Doch er nahm sich zusammen und folgte den beiden.

81
    Der Schlaf brachte die Freiheit und wurde erwartet wie ein brüderlicher Freund. Der Schlaf brachte die Stille. Es war leichter, zusammen mit den Zellengenossen einzuschlafen, wenn sich Beziehungen des Vertrauens und gegenseitigen Respekts herausgebildet hatten. Denn im Schlaf ist man nackt und wehrlos.
    Für die Schlaflosen dagegen war das Warten eine Qual aus den vielen Schlafgeräuschen der anderen. Das Schnarchen vor allem, dann die Bewegungen und Seufzer, das Wimmern und Reden im Schlaf, das die Träume hervorrufen. Die Leibeswinde, laut, stinkend, unerträglich. Das Husten, unvermeidlich in der abgestandenen, ungesunden Luft der Gefängnisse.
    An diesem Abend war die Situation in den Gardini dei Letterati besonders schwierig, wegen des üppigen Abendessens mit viel Wein, das Ser Piero Pasqualigo allen Gefangenen und Wächtern offeriert hatte. Obwohl der Adelige wegen Steuerhinterziehung im Trona-Gefängnis einsaß, war es ihm nach monatelangen Verhandlungen gelungen, einem Geschäftsmann aus Treviso einen ganzen Palazzo am Canal Grande zu verkaufen. Und da er gegenüber denen, die ihm schmeichelten, ebenso großzügig war wie geizig gegenüber dem Fiskus, hatte er bei den besten Osterien um San Marco ein großes Festmahl für das Völkchen der Gefängnisse bestellt. Den ganzen Abend lang konnte man aus den Zellen der Mula, Liona, Valiera und Mocina, über die Frauengefängnisse bis hin zu den Kerkern Gradonia und Catolda Trinksprüche und Hochrufe auf Ser Pasqualigo hören. An dem Gelage hatten auch die Literaten teilgenommen, der Schriftsteller de Ulloa und seine vom Unglück verfolgten Freunde, die Buchhändler und Verleger. Sie hatten gesungen, getanzt und bis spät in die Nacht Karten gespielt. Und die Wächter, sogar der Assassino und Visdecazzòn, hatten an diesem Abend die Zügel gelockert und selbst ziemlich viel getrunken, um beide Augen zuzudrücken – im Schlaf natürlich.
    Die Einzigen, die sich von der allgemeinen Ausgelassenheit ferngehalten hatten, waren Gabriele Ruis und Mehmet Hasan. Nicht, weil sie keinen Hunger gehabt hätten oder ein Gläschen Wein nicht auch ihnen geschmeckt hätte. Und zumindest bei dem Jungen hatten de Ulloa und die anderen alles versucht, um ihn mit ihrer Fröhlichkeit anzustecken. Doch nein, nichts hatte gefruchtet. Denn das Problem an diesem Abend war ein ganz anderes, mit Traurigkeit oder Unwohlsein hatte es nichts zu tun. Das Problem war in dem Moment entstanden, als Gabrieles Blick auf das schmerzverzerrte Gesicht

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