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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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der Schulter gleiten, die Stangen prallten dumpf auf dem Steinboden auf. »Sie ruhe in Frieden«, fügte er hinzu und setzte sich auf die Stufen. Als wäre seine Arbeitsschicht damit beendet, zog er ein Fläschchen aus seiner Weste, riss den Korken mit den Zähnen heraus und reichte es Andrea.
    »Es ist Anisschnaps, möchtet Ihr?« Andrea schüttelte verwirrt den Kopf. »Nein, danke«, sagte er hastig. Der Werkmeister sah ihn skeptisch an, trank einen Schluck, schnalzte mit der Zunge und hustete. »Was ist los? Geht es Euch nicht gut, Ser Loredan?«, fragte er, im Versuch, Andreas Verstörung zu deuten.
    »Diebe«, sagte Andrea, auf den Tabernakel zeigend. Dabei fiel ein Teil des Gewichts, das ihn bedrückte, von ihm ab. »Sie haben den Kelch mitgenommen und wer weiß was sonst noch.«
    »Frevel!« Das war dem Werkmeister etwas zu dramatisch herausgeplatzt, um ehrlich zu wirken. Er blickte Andrea unverwandt an, denn er wartete auf den wahren Grund seiner Verstörung.
    »Zwei Fanti haben geschossen«, fügte Andrea zögernd hinzu.
    »Gut gemacht!« Rosso nahm einen zweiten Schluck Anisschnaps. Für ihn war ausgemacht, dass sein Gesprächspartner diese Ansicht teilte. »Auch beim Arsenale wurde ein Dieb getötet. Sie kommen überall hervor wie die Ratten bei Hochwasser.«
    »Ihr findet das richtig?«, fragte Andrea nur, überrascht von der Brutalität eines Mannes, der ein braver Familienvater zu sein schien.
    Bepo Rosso, ein erfahrener, aber impulsiver Mann, erkannte, dass er auf unsicheres Terrain geraten war. Er überlegte auch, dasses ein Geschenk des Himmels war, einen Patrizier von Loredans Rang unter so dramatischen Umständen kennenzulernen, wo entstehende Kameradschaft, wie im Krieg, meist auch nach dem Konflikt andauert. Dieses Geschenk musste er sich bewahren. Also beschloss er abzuwarten und blickte Andrea demütig wie ein Schüler, der eine Berichtigung durch seinen Lehrer erwartet, in die Augen.
    »Gerechtigkeit schafft man nicht mit Gewehren«, sagte Andrea, doch ohne Nachdruck, denn auch er wollte sich einen Weg zu diesem Mann offenhalten, der ihm trotz seiner Ansichten Sicherheit einflößte.
    Der Werkmeister ahnte Andreas Absichten und freute sich, ohne es zu zeigen. Im Gegenteil, er setzte eine betrübte Miene auf, und weil er es gewohnt war, Wind von allen Seiten zu bekommen, zwischen Matrosen und Arbeitern, Schiffskapitänen und reichen Reedern zu stehen und wendig zu bleiben wie ein Banner bei umschlagender Brise, fand er sofort die passende Antwort, um aus der Ecke herauszukommen, in die er sich selbst manövriert hatte, ohne sich zu erniedrigen und Andrea misstrauisch zu machen.
    »Ich denke genauso wie Ihr, Ser Loredan«, räumte er mit gesenktem Blick ein. »Aber wir sind im Krieg. Und im Krieg gilt, wie Ihr wisst, nur das Gesetz der Waffen.«
    »Im Krieg gegen wen?« Andrea hielt seine Verwunderung nicht zurück.
    »Gegen den Türken natürlich! Wen denn sonst?«, verlieh der Werkmeister seiner Überzeugung Ausdruck. Und weil er sich nunmehr auf der Siegerseite fühlte, umfasste er mit einer weiten Handbewegung das Bild, das sie vor Augen hatten. »Seht her. Seht doch nur, was diese Teufel angerichtet haben.« Mit diesem Urteil glaubte er die Achtung des jungen Patriziers zurückgewonnen zu haben. Doch er irrte sich.
    Andrea ahnte, dass in diesen leichtsinnigen, trügerischen Worten, wie in der langen Welle, die dem heraufziehendenSturm vorausgeht, das enthalten war, was der größte Teil der Venezianer, ob Patrizier, Bürger oder das Volk, dachte oder in wenigen Stunden denken würde. Von seinem Standpunkt aus hatte der Werkmeister recht, tatsächlich war der Krieg gegen die Türken schon in dieser Nacht erklärt worden.
    Als wollte er Andrea aus seinen düsteren Gedanken wecken, blies ihm der Ostwind ins Gesicht und wehte ihm die Haare vor die Augen. Dann drehte er entschlossen zwei Strich nach Süden und begann, den Rauch im Umkreis von mindestens einer halben Meile wie ein Besen wegzufegen. Auf dem Ruinenfeld, das der Wind freilegte, suchte Andrea nach den beiden Soldaten, und was er sah, ließ ihn aufspringen. Auch der Werkmeister erhob sich, langsamer, weil er mehr Zeit brauchte, um zu verstehen.

16
    Die beiden Soldaten kehrten zurück. Sie trugen einen mageren, viel zu kleinen Körper, einer hielt ihn an den Füßen, der andere unter den Armen. Der nach hinten hängende Lockenkopf schaukelte mit den Schritten der Soldaten von einer Seite zur anderen. Es war das Gesicht eines Kindes,

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