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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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zu erzählen, was Ihr mir gestern erzählt habt?«
    Andrea beugte den Kopf leicht in Richtung da Ponte, räusperte sich und versuchte, während er die Ereignisse, dem Konzept seines Memorandums folgend, berichtete, den Blick niemals auf einer bestimmten Person verweilen zu lassen, wie er es im Gericht gewöhnlich auch tat.

77
    Der Dragoman und Müteferrika Mahmut Bey hatte zu diesem Anlass die feinsten Kleider seiner Garderobe angelegt: einen bodenlangen Kaftan aus rotem Samt, mit Zobelpelz gefüttert und in der Taille von einem breiten Band aus silberdurchwirkter Seide zusammengehalten, ein schwarzer, mit Silber durchwobener Kasack, unter dem weite, an den Fußgelenken geschnürte Hosen aus Seide hervorschauten. An den Füßen trug er Babuschen aus schwarzem Leder, das an der Spitze aufgerollt und mit silbernen Friesen verziert war. Ein hoher weißer Turban mit einer Pfauenfeder vervollständigte die Festbekleidung. Mahmut hatte einen Diener zu seiner Begleitung angefordert, der ihm einen gelben Schirm über den Kopf halten musste,zum Schutz gegen die Tauben, vor denen ihm graute. An seiner Seite ging, in einem violetten Gewand, der blutjunge Adelige Nicoletto Contarini, jüngst zu einem der Savi agli Ordini ernannt. Es war sein erster Ausgang mit einem derart hochrangigen Gast. Nicoletto hatte bei dem gelehrten Dolmetscher Michele Membré Türkisch studiert und Mahmut, der flüssig Venezianisch sprach, gebeten, sich seiner Muttersprache zu bedienen, weil er seine erworbenen Sprachkenntnisse auf die Probe stellen wollte.
    Hinter ihnen spazierte, mit Kasack und Barchenthosen, Barett und Stiefeln ebenfalls fein herausgeputzt, Beato Bringa, der Vertrauensmann von Alvise Mocenigo, höchst geschickt im Waffengebrauch, unschlagbar im Kampf, der Verbrecherjagd und heiklen Missionen jeder Art. Mahmut selbst, der sich freute, einen ganz Tag für sich allein zu haben, hatte darum gebeten, die Zahl der Begleiter auf ein Minimum zu reduzieren, und sogar Claude du Bourg durfte ihm heute nicht folgen. Denn Mahmut hielt ihn für einen unerträglichen Aufschneider, eitel und leicht verrückt.
    Bepo Rosso hatte sich zwei Arbeitsschichten hintereinander aufgebürdet, um diesen einen Ruhetag zu haben.
    Von der Calle della Panada, wo er wohnte, bis zum Markt im Rialto war es ein kurzer Weg, und schon vor der Glocke zur dritten Stunde wanderten Bepo und Annina über die Drapperie, die von den vielen Stoffen in eine farbenfrohe Szenerie verwandelten wurden.
    Bepo beobachtete Annina, die stehen geblieben war, um eine im Wind flatternde Stoffbahn aus Seide zu streicheln, und er wunderte sich, wie schön sie noch war: Ein kostbares Kunstwerk an seiner Seite, das er verehrte, das ihm aber fremd und weit entfernt erschien. Er überlegte, dass ihre Ehe an dem Tag geendet hatte, als Giorgio nicht mehr zurückgekommen war. Er hätte sie nicht täuschen dürfen, sondern hätte ihr den wahren Grund erklären müssen, warum er sie an diesen Ort gebracht hatte. Doch so wie die Dinge standen, hätte er damit alles nur schlimmer gemacht. Ihm blieb nichts anderes zu tun, als sich Mahmut Bey zu nähern und ihm das Büchlein auf Griechisch zu übergeben, zusammen mit einem Brief an den Großwesir Sokollu Mehmet Pascha, seinen Herrn. Er hatte ihn auf Pergament geschrieben und jedes Wort genau abgewogen:
    Erhabenster, durchlauchtigster, hochverehrter Herr und Erster Minister Sokollu Mehmet Pascha, demütig knie ich vor Euch nieder und werfe mich vor Eure himmlischen Füße, im Vertrauen auf Eure Weisheit und Großherzigkeit und Euren Edelmut, und wende mich mit dieser Bitte als trauernder, verzweifelter Vater an Euch, einen gerechten und großzügigen Vater, um Eure Gnade für meinen armen Sohn zu erflehen, der den Namen Giorgio Rosso trägt und unser Haus in Venedig vor nunmehr vier Jahren verlassen hat, um nie mehr wiederzukehren. Mein Leben lang werde ich Euch dankbar sein.
    Euer untertäniger Diener
    Bepo Rosso

78
    Es sah aus wie eine Schaukel, doch mit dem von Kindern so geliebten Spielgerät hatte es wahrlich nichts zu tun. In eine weiße Baumwollkutte gekleidet, einen Ledergürtel um den Kopf, der ihr den Mund verschloss, an Hand- und Fußgelenken gefesselt, saß Sofia weinend auf einer Art Thron aus Eisenstangen, der mit vier Ketten, die in einem Ring zusammenliefen, an einem Seil hing. Das Seil wiederum lief ein wenig schräg bis zur Mitte des Kreuzgewölbes, rollte sich dort um eine starke Winde und kehrte nach unten zurück in die Hände eines

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