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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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fast lautlos zu: »Messer Contarini, ich habe genau gesehen, dass der Türke von diesem Mann dort etwas erhalten hat«, und dabei wies er auf Bepo Rosso, der seiner Frau gerade den Samtstoff zeigte.
    »Dafür stehe ich in Eurer Schuld«, antwortete Contarini und übergab dem Händler die Quittung.

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    Wie wirkungsvoll eine Erzählung ist, hängt nicht nur von der klaren Schilderung der Ereignisse ab, sondern auch von der Fähigkeit des Redners, sich sofort das Wohlwollen seiner Zuhörer zu erwerben. Und das war für Andrea an diesem Morgen alles andere als einfach. Die Tatsachen, von denen er durch seine Arbeit als Pflichtverteidiger armer Gefangener zufällig Kenntnis erlangt hatte, gehörten in den Zuständigkeitsbereich zweier von der Regierung Venedigs eingerichteter Zonte: jener, die wegen der Explosion des Arsenale ermittelte, und jener, die versuchte, dem Mörder der Novizin Anna Tagliapietra einen Namen zu geben. Überdies war unter den Zuhörern Andrea Dolfin, der ihn wegen des Todes des Maklers Fausto Memo hart angegriffen hatte und nach der aufgelösten Verlobung Andreas mit seiner Schwester keinen Hehl mehr aus seiner Abneigung gegen den Anwalt machte.
    Instinktiv und aus Erfahrung hatte Andrea mit demütigen, leisen Tönen begonnen, als wäre er ein einfacher Zeuge, der zufällig am Tatort vorbeigekommen war. Zunächst hatte er seinen Kummer über die tragische Tat dieses armen Mannes ausgedrückt und aufrichtig bedauert, dass er sie nicht hatte verhindern können. Mit diesem Punkt hatte er sich länger beschäftigt und dabei mehrmals zu Dolfin hinübergeblickt, der ebenfalls ein Zeuge dieses Geschehens war. Nach und nach hatte er dann die Aufmerksamkeit der Anwesenden von dem traurigen Vorfall zu dem Bericht hingelenkt, den der Makler zu Protokoll gegeben hatte. Dabei hatte er sich gehütet, Schlussfolgerungen zu ziehen, und nur die reinen Fakten referiert: Ein junger, mittelloser Fischer kauft ein Haus und bezahlt mit klingender Münze in Golddukaten. Eine Nonne der Celestia wohnt dem Verkauf bei und bezahlt den Makler ebenfalls in bar. Dann werden die Dukaten wiedergefunden, die der Makler seiner Frau gegeben hat, und es stellt sich heraus, dass sie zu derselben Prägunggehören wie die Münzen, die in der Nacht der Explosion aus dem Arsenale gestohlen wurden. Während dieser Ausführungen hatte Andrea häufig den Blick des Senators da Ponte gesucht, und fast immer hatte da Ponte nicht ihn, sondern die verblüffte, gebannte Zuhörerschaft betrachtet, und seine amüsierte Miene zeigte, dass er diese Verblüffung genoss. Da dämmerte es Andrea, dass es ein kluger, wohlüberlegter Schachzug gewesen war, so viele Regierungsvertreter zusammenzurufen. An dem erstaunten Schweigen unmittelbar nach seinem Bericht, bevor die Consiglieri und Richter ihre Eindrücke austauschten, erkannte Andrea das außergewöhnliche strategische und politische Geschick von Nicolò da Ponte, das vielleicht nur noch dem von Alvise Mocenigo gleichkam. Denn nun, nachdem diese Fakten einem solchem Publikum berichtet worden waren, würde man sie schwerlich ignorieren oder verwässern können wie ein unehrlicher Wirt seinen Wein. Bei einem Streit muss der Zweifel unter den Feinden gesät werden, nicht unter Freunden, wie da Ponte und Catanio.
    Im allgemeinen Stimmengewirr traf Dolfins Blick auf Andrea, er schien kurz davor, etwas zu erwidern. Wahrscheinlich hätte er es getan, doch ein Klopfen an der Tür lenkte ihn ab und ließ die Stimmen verebben. Alle blickten auf die Tür, die sich öffnete. Es war der außerordentliche Notar der Zehn, Zuàn Paolo Dardani.
    »Ich bitte um Vergebung, verehrte Messeri, aber Ihr sollt von diesem schwerwiegenden Ereignis erfahren«, und während er einen Schritt zurücktrat, erschien eine sonderbare Gestalt auf der Schwelle. Sie trug einen dunklen Umhang, Hemd und Kniebundhosen, wie Sekretäre, Fanti und Anwaltsgehilfen sie tragen, hatte aber eine Art Turban nach türkischer Art auf dem Kopf. Es war ein Verband.
    »Francesco!«, konnte Andrea Loredan nur murmeln.

81
    Begleitet von Beato Bringa gingen Mahmut Bey und Nicoletto Contarini in Richtung Rialto-Brücke, um den Kanal zu überqueren und zu den Mercerie zu gelangen, gemäß dem festgelegten Programm, das für diesen Tag einen Spaziergang bis nach San Marco und den Aufstieg auf den Glockenturm vorsah, wo bei Panoramablick eine kleine Erfrischung aus Süßigkeiten und Malvasier gereicht werden sollte. An der Mole wartete dann die Gondel, um

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