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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Arm, dann ging er auf ihn zu. Der Bettler versuchte den ersten Messerstich, den der Werkmeister mit dem Arm abwehrte. Er konnte den Mann am Handgelenk packen und ihm den Arm verdrehen, während der ihn mit Faustschlägen und Tritten traktierte. Rosso verspürte keinen Schmerz. Er schlug die Hand gegen die Mauer, das Messer fiel zu Boden. Mit einem Kopfstoß brachte er den Mann zu Fall, der zu jammern begann, sich die Hände vors Gesicht hielt und sich am Boden um sich selbst drehte wie ein lahmer Hund. Bepo ergriff die mit Gold bestickte Tasche, wühlte darin, zog das Büchlein heraus und steckte es in die Innentasche seines Hemdes.
    »Halt!«
    Zwei weitere Bettler waren aus einer engen Seitengasse hervorgekommen und gingen auf ihn zu. Einer zielte mit einer Flinte auf ihn.
    »Wir sind Fanti der Zehn!«, sagte er wütend. »Was hast du mit unserem Kameraden gemacht?« Er zeigte auf den am Boden liegenden jungen Mann, der wimmerte.
    Da erkannte Bepo die Falle. Es waren verkleidete Sbirren, alle drei. Nun gab es nichts mehr zu erklären und kaum eine Alternative: Dort war der Kanal, hier waren sie. Das Buch hatte er in der Tasche. Er setzte zum Lauf an. Der jüngere der beiden Fanti warf sich mit ausgebreiteten Armen auf ihn, um ihn festzuhalten. Die Faust des Werkmeisters traf ihn zwischen die Augen, und er blieb benommen stehen. Der andere packte ihn, aber Bepo wand sich aus seinem Griff und versetzte ihm einen Tritt in die Leiste. Endlich frei, fing er an zu laufen. Er hörte den Schuss. Fühlte den Schmerz in der Schulter. Er lief weiter.

84
    Francescos Eintreten in den kleinen Saal der Inquisitori und sein Bericht vom Überfall und dem Diebstahl der Mappe mit den Dokumenten waren entscheidend für den Sieg des Senators Nicolò da Ponte über jene Kräfte, die stets dazu neigen, alles versanden zu lassen, nachdem die Zeugen gehört wurden. So aber hatten die Häupter der Zehn Vettor Pasqualigo und Pietro Pizzamano mit entschiedener Unterstützung der beiden Dogenratgeber da Mula und Sanudo sowie dem stummen, zähneknirschenden Einverständnis von Dolfin sofort beschlossen, eine Sitzung des Rats der Zehn einzuberufen.
    Über diese Dinge sprachen Andrea und Francesco, nachdem sie den Saal verlassen hatten und die Scala dei Censori hinuntergingen. Was bis zum gestrigen Tag noch zur Sphäre des bloßen Verdachts gehörte, wurde mit dem Überfall und dem Diebstahl der Papiere zu einer Gewissheit, die nur Böswillige noch bezweifeln konnten. Der Besuch des Solecitadòrs bei Suor Benedetta musste, trotz der scheinbaren Unschuld der Ordensfrau, nicht nur sie, sondern auch ihre Bundesgenossen alarmiert haben. Der Mensch, der Francesco mit so ungewöhnlicher Brutalität mitten in der Nacht überfallen hatte, konnte keinesfalls diese dicke, ungelenke Schwester gewesen sein, die ja kaum mehr zu gehen vermochte. Francesco hatte nichts bemerkt, nur diesen schweren Schlag auf den Kopf. Es konnte ein Polentaverkäufer gewesen sein, der mit ihm auf dem Fährboot gewesen war. Oder jeder andere. Wie im Fall des Maklers. Daraus erwuchs die Befürchtung, dass derartige Unglücksfälle bald alle armen unschuldigen Menschen treffen konnten, die in dem Memorandum erwähnt wurden. Sämtliche Zeugen aus dem Weg zu räumen war wahrscheinlich ein erster Teil des wahnsinnigen Plans der Verbrecher. Auch aus diesem Grund war durch die exekutive Gewalt der Häupter der Zehn und der Inquisitoren Befehl an den Missièr Grande ergangen, noch vor der Sitzung der Zehn unverzüglich einen gewissen Simone Simoncin zu verhaften, von Beruf Fischer, »wohnhaft in Burano, im Viertel San Martino, in der Calle, wo das Eis für die Fische verkauft wird«. Denn irgendwo musste man schließlich beginnen, und die Verhaftung eines Fischers war vom juristischen Standpunkt aus sehr viel einfacher als die Arrestation einer Ordensschwester.
    Der Anwalt Loredan und sein Solecitadòr kamen in den Innenhof des Dogenpalasts und wollten gerade einen anderen Aspekt des Problems diskutieren, als Schreie ihre Aufmerksamkeit auf die Porta del Frumento lenkten. Mehrere mit Hellebarden,Schwertern und Arkebusen bewaffnete Wachen, die einen Mann hinter sich herschleiften, kamen aus dem Bogengang heraus und schleuderten den armen Mann brutal auf den Steinboden. Mitnichten eingeschüchtert, stieß er unverständliche Schreie aus und ging wieder gegen die Bewaffneten los, was zur Folge hatte, dass das Grüppchen sich innerhalb weniger Sekunden wie ein Igel um den Unglücklichen

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