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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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zusammenschloss.
    »Komm!«, sagte Andrea, denn der Mann kam ihm bekannt vor. Er trug die Arbeitskleidung der Arsenalotti und war überdurchschnittlich groß. Als Andrea näher kam, erkannte er ihn, es war Bernardo, der Freund von Sofia.
    »Schämt euch! Die Waffen auf einen Venezianer zu richten!«, schrie Bernardo. »Schwachköpfe und Irre, das seid ihr!«
    »Was tut Ihr?«, rief Andrea ihm aus zehn Schritt Entfernung zu.
    Bernardo drehte sich um. »Heilige Jungfrau Maria! Messer Loredan!« Die Miene des Arsenalotto hellte sich auf, und ohne die Palastwachen zu beachten, bestürmte er Andrea. »Es ist ein Unglück! Ein furchtbares Unglück!«
    Andrea blickte Bernardo an, verlor aber auch die Wachen nicht aus den Augen. Derbe Beleidigungen, die einen Mailänder oder einen Sizilianer zum Duell herausgefordert hätten, waren in Venedig an der Tagesordnung und hatten keinerlei Konsequenzen, doch so etwas öffentlich und mit Soldaten zu veranstalten, konnte einen teuer zu stehen kommen.
    »Sofia! Sofia!«, rief Bernardo. »Was für ein Unglück!«
    Andrea fühlte, wie ihm das Blut heiß in den Kopf schoss.
    »Was ist passiert?«, unterbrach er ihn.
    Bernardo breitete verzweifelt die Arme aus. »Sie ist verschwunden. Bei der Arbeit war sie nicht. Ich bin sie zu Hause suchen gegangen. Ihr müsstet es sehen, Avvocato. Dort drinnen ist das Unterste zuoberst gekehrt, als stünde die Welt auf dem Kopf!« Er ließ die Arme sinken und erschlaffte.
    Andrea hatte die Wachen beschwichtigen können, indem er für Bernardo bürgte, und damit war der Streit beigelegt. Dann waren Bernardo und er zur Bragola geeilt, Francesco mit ihnen. Vergeblich hatte Andrea seinen Assistenten beschworen, er solle nach Murano zurückkehren und sich ausruhen, Francesco dachte nicht im Traum daran, sondern zog sich sogar, um seine Absichten zu bekräftigen, den Turban aus Binden vom Kopf und warf ihn in einen Abfalleimer am Weg. Die Wunde war deutlich zu sehen.
    Vor Sofias Haus hatten sich viele Menschen aus dem Viertel versammelt, denn nach dem großen Aufruhr, den Bernardo auch dort verursacht hatte, indem er überall nach ihr fragte, hatten sich diese Fragen von Haus zu Haus weiterverbreitet, und mit den Fragen waren die Antworten gekommen.
    »Habt Ihr diese beiden Signori schon einmal gesehen?«, fragte Andrea die Nachbarin, eine ausgemergelte schwarzgekleidete Alte. Nein, die hatte sie noch nie gesehen. Endlich sah er Francesco in Begleitung von Hauptmann Grifo und einem seiner Wachmänner aus dem nahen Stadtteilgefängnis im Palazzo Morosini ankommen. Sie begrüßten einander, und Andrea erzählte von Sofias Verschwinden, um Bernardo, der in seiner verständlichen Erregung alles erklären und zu allem etwas sagen wollte, ein wenig zu bremsen.
    »Sicher ist, dass sie das Schloss aufgebrochen haben«, sagte Andrea, auf den verbogenen Riegel zeigend.
    Der Hauptmann warf ihm stumm einen Blick zu, öffnete die Tür und sah das Chaos in der Wohnung. Vorsichtig trat er ein.
    »Bleib draußen und lass niemanden herein«, befahl er dem Wachmann. »Ihr kommt mit, Avvocato.«
    Sie sahen sich um. Was gab es in dieser ärmlichen Behausung schon zu stehlen?
    »Ich möchte Euch helfen, Messer Loredan«, sagte Grifo. »Aber meine Arbeit ist mir lieb und teuer.«
    »Ihr habt mein Wort.«
    Der Hauptmann zögerte noch einen Moment, dann sagte er entschlossen: »Die von San Domenico haben sie weggebracht. Man verdächtigt sie der Hexerei.«
    Fassungslos blieb Andrea an diesen Worten hängen.

85
    Damit es schneller ging, hatte man den Tisch in einen der Pferdeställe im Erdgeschoss des Palazzo Ducale gestellt. An diesem Ort, wo nur noch Futterkrippen, Querstangen und Stallgeruch vom einstigen Gebrauch kündeten, hatte man ein großes Kohlebecken entzündet, um es wärmer zu haben.
    Der Beutel von Mahmut Bey, eine aus Gold gewirkte Tasche mit durchschnittenem Schulterriemen, lag geöffnet mitten auf dem Tisch. Von den Personen in dem Raum waren fünf mit den Gegenständen aus dem Beutel beschäftigt. Zuàn Formento blätterte in einem Koran, der Dragoman Michele Membré diktierte einem Schreiber den übersetzten Inhalt eines auf Türkisch geschriebenen Briefs und Beato Bringa überprüfte mit einem Vergrößerungsglas die Zeichnungen auf einem Seidentüchlein. Etwas entfernt untersuchte der Arzt Hieronimo Dalessi den jüngsten der drei »Bettler«, den Bepo Rosso verprügelt hatte. Der junge Mann erzählte vom Kampf mit dem Werkmeister, sprach aber unter großen

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