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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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und Ängsten waren die Steine der Zellen getränkt, welche die Signori di Notte al Criminal im Erdgeschoss und Mezzanin der südwestlichen Ecke des Palazzo benutzten. In eine Decke gehüllt, saß Annina auf einem Schemel in der Krankenstube. Drei Schritte vor ihr lag Bepo Rosso, ihr Mann, mit nacktem Oberkörper auf einer Pritsche. Doktor Hieronimo Dalessi beugte sich über ihn, um seine Schulter zu behandeln, und nach dem verzerrten Gesicht des Werkmeisters zu urteilen, musste die Operation sehr schmerzhaft sein.
    »Fertig, Ihr könnt aufstehen«, sagte der Arzt. »Ihr müsst die Wunde sauber halten und Luft daran lassen. Mindestens zehn Tage werdet ihr Ruhe auf der Krankenstation haben.«
    »Im Arsenale braucht man mich!«, protestierte Rosso, während er sich auf der Pritsche aufsetzte.
    »Das kommt nicht in Frage!«, warnte Dalessi.
    Bepo warf Annina einen Blick zu, die ihn schüchtern anlächelte.
    In diesem Moment kam der Beamte Catanio, gefolgt von zwei Wärtern, in die Krankenstube. »Wie fühlt Ihr Euch?«, fragte er Bepo.
    »Ich hatte schon bessere Tage.«
    Catanio betrachtete die Wunde. Dann wandte er sich an die Frau. »Ein Wärter wird Euch nach Hause bringen, Signora.« Als er ihre entsetzte Miene sah, fügte er hinzu: »Euer Gemahl wird nachkommen, sobald wir fertig sind.« Dem Werkmeister befahl er: »Kommt mit, Rosso, wir müssen Euch einige Fragen stellen.«
    Das hatte Bepo erwartet, er nickte nur. Im Vorbeigehen flüsterte er Annina zu: »Sei unbesorgt, wir sehen uns wieder, bevor es Nacht wird.« Doch schon während er es sagte, wusste er, dass es nicht stimmte.
    Nur zwanzig Schritt entfernt, in einer Zelle im Mezzanin, brüsteten die zehn verhafteten Arsenalotti sich mit ihrem Bravourstück, bei dem sie den Inquisitor Schellino in die Flucht geschlagen, einen zu Tode erschrockenen Priester verfolgt und Chaos in einem Kloster angerichtet hatten. Und auch ihre Haft, aus der man sie am nächsten Tag befreien würde, davon waren sie überzeugt, wurde mit heroischen Gefühlen ertragen, denn sie empfanden sich als Kämpfer für die Befreiung der Republik Venedig aus den Tentakeln Roms. Nur Bernardo, der auf einer Bank saß, die Ellenbogen auf die Knie gestützt und das Kinn in den Händen, schwieg finster.

95
    Das alles war so schön, dass Frate Angelo Riccio fürchtete, der Zauber könnte beim Erwachen enden. Nach einem Jahr voller Demütigungen, Hoffnungen und Enttäuschungen kniete er nun schon zum zweiten Mal in kurzer Zeit in der Kapelle Sant’Isidoro im linken Seitschiff des Markusdoms. Die abgeschiedene Kapelle war ein Ort seelischer Einkehr, geeignet für stilles Gebet und für himmlische wie irdische Vertraulichkeiten. Riccio durfte sie nur für Treffen von allergrößter Wichtigkeit benutzen.
    Während der Wartezeit hatte Frate Angelico fast schon einen kompletten Rosenkranz gebetet und die Dinge, die er sagen und fragen wollte, nach zunehmender Wichtigkeit geordnet. Darum hörte er in dieser großen Kirche, in der gerade das Ende des Vespergottesdienstes gefeiert wurde, die näher kommenden Schritte nicht. Erst im letzten Moment sah er die dunkle Gestalt, die neben ihm niederkniete, den Kopf senkte und die Hände faltete.
    »Ich höre«, flüsterte der Sekretär Zuàne Formento.
    Riccio, der darauf gehofft hatte, die frohe Kunde Alvise Mocenigo überbringen zu können, schwieg einen Augenblick enttäuscht. Doch er nahm sich zusammen und verzichtete darauf, Formento um eine Erklärung zu bitten. Er hätte Formento beleidigt, mehr wäre dabei nicht herausgekommen.
    »Ich weiß, wo die Bücher versteckt sind«, vertraute er ihm ohne Umschweife an. »Morgen bei Sonnenaufgang werde ich aufbrechen.«
    »Sehr erfreulich«, frohlockte der Sekretär, »nach Tomeis Flucht war Messer Mocenigo höchst verärgert über Euch.«
    »Ein Risiko, das wir eingehen mussten«, bemerkte Riccio kühl, berauscht von seinem Erfolg.
    »Was benötigt Ihr?«, fragte Formento.
    Die Liste kannte Riccio auswendig: Beglaubigungsschreiben und Passierscheine für den Statthalter, das Heilige Offizium und den Inquisitor von Padua, den Gastalden von Torreglia;die schnellste Fregatte der Zehn, die des Hauptmanns Tommaso Mostacchi, und tausend Dukaten für die Ausgaben. Um den Transport der Bücher nach Venedig und alles andere würde er sich kümmern. Und dann waren da noch die zehntausend Dukaten in Diamanten, die die Serenissima ihm für seine Dienste zahlen musste.
    Formentos einziger Einwand galt den tausend Dukaten für

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