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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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ließ sich von den unaufhörlichen theologisch-politischen Diskussionen des Senators Lorenzo da Mula mit seinem Gegner Nicolò da Ponte einlullen und beobachtete dabei, wie Luca Foscari einige Ampullen mit Essenzen überprüfte, die er aus einer Ledertasche geholt hatte. Er hob die Stopfen ab, roch daran, schloss sie wieder und stellte sie zurück. Auf der linken Seite tönten Glockenschläge durch den Nebel.
    »Das ist San Servolo!«, rief der Bugruderer aus und steuerte den Bug auf den Glockenklang zu, ohne mit seinen Warnrufen für andere, kreuzende Boote aufzuhören. Kurz darauf tauchte die Mauer des Benediktinerinnenklosters auf. Um den Weg anzuzeigen, hatten die Nonnen ein Dutzend römische Fackeln im Abstand von drei Fuß hintereinander aufgestellt. Sie führten bis zum Eingangstor. Dort wartete die Äbtissin mit fünf Schwestern.
    Also hat jemand sie vorgewarnt, dachte Andrea.
    Die Senatoren verbeugten sich: da Ponte steif, da Mula ehrerbietig. Auch der Provveditore, der Avogador Pisani und Luca verbeugten sich, Letzterer ein wenig schief, weil er seine Tasche trug. Andrea, der nach ihnen über die Schwelle trat, blieb stehen, den Blick auf den Gang gerichtet, der schnurgerade ins Innere des Klosters führte.
    Sie gingen unter den Arkaden mit Tonnengewölbe und fensterlosen Backsteinwänden hindurch, zwischen denen Eiseskälte und Stille herrschten. Am Ende der Treppe öffnete sich eine Galerie mit einer zweiflügeligen Tür, darüber eine Inschrift in Gold: DE TACITURNITATE.
    Die Schwester Pförtnerin öffnete das Vorhängeschloss und schob den Riegel beiseite. Die Tür öffnete sich. Der Gesang hub an, als die Delegation den großen Schlafsaal betrat, wo sie von winterlicher Strenge in die milde Wärme des Frühsommers geriet. Sofort durchdrang alle ein Gefühl von Frieden und Wohlbehagen.
    »Dies sind meine armen Kranken!«, sagte die Äbtissin liebevoll mit einer weiten Armbewegung. Sie umfasste den ganzen Saal und ein gutes Dutzend Frauen in weißen Gewändern mit einem Kruzifix um den Hals und Wollbabuschen an den Füßen, die zusammen mit ebenso vielen Nonnen das Tedeum anstimmten.
    Andrea versuchte sofort, Sofia zu erspähen. Es drängte ihn, in den Saal hineinzugehen, an der Delegation vorbei, die stehen blieb, um den Gesang nicht zu stören. Aber er hielt sich zurück, weil es Usus und Etikette war, die hierarchische Rangordnung zu respektieren. Diese Regel zu brechen wäre unhöflich gewesen, auch gegenüber dem, der auf seiner Seite war, wie da Ponte. Er betrachtete das Feuer im Kamin an der hinteren Wand, er sah die Betten, ein Dutzend: sie waren akkurat gemacht, die Decke unter das Kopfkissen und ringsherum säuberlich unter die Matratze gesteckt. In den Ecken lagen einige spiegelnd glänzende, kupferne Bettwärmer auf dem Fußboden. Um einen so weiträumigen Saal auf diese sommerliche Temperatur zu erwärmen, durften die Nonnen mit Geld nicht geizen, überlegte Andrea. Dann entdeckte er einige fehlende Fensterscheiben, die durch mit Pech bestrichene Stoffbahnen ersetzt waren. Diese Nachlässigkeit wunderte ihn, obwohl das Psalmodieren des Tedeum die Seelen ergriff und den Ort heiligte.
    Andrea spürte, wie Angst in ihm aufstieg und ihn überschwemmte, denn unter den Gesichtern, die er musterte, fand er Sofia nicht. An diesem Morgen hatte er noch vor Sonnenaufgang Luca vor seiner Haustür abgeholt, um den Weg zur Mole von San Marco, wo sie die anderen treffen sollten, mit ihm gemeinsam zurückzulegen. Da Luca als ein tüchtiger Arzt galt und sein Wort bei den Richtern nicht ohne Einfluss war, würde es genügen, wenn er eine Bescheinigung über Sofias schlechten Gesundheitszustand ausstellte und erklärte, dass es notwendig sei, sie an einem besser ausgestatteten Ort zu behandeln. Doch jetzt, da er diese reinliche Umgebung und die Liebe sah, mit der die Nonnen die kranken Frauen gesundpflegten, erschien es ihm absurd, so etwas zu behaupten. Und in Lucas Blick lag genau der gleiche Gedanke.
    »Erkennt Ihr Signora Ruis?«
    Andrea wandte sich zu dem Flüstern um. Nicolò da Ponte sah ihn besorgt und verständnisvoll an. Das erleichterte Andrea. Er verneinte kopfschüttelnd.
    »Sucht sie!«, forderte der Senator ihn auf. Er schien noch besorgter als Andrea.
    Andrea beschloss, zum Kamin auf der anderen Seite des Saals zu gehen. Er setzte sich langsam in Bewegung, hinter sich hörte er das leise Murmeln der Gäste, die lobenden Worte, die die Äbtissin von den Adeligen bekam. Beim Gehen betrachtete er

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