Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
die Ausgaben, das sei zu viel für die mageren Kassen der Zehn, und in so kurzer Zeit könne er nur fünfhundert auftreiben. Angelo Riccio, der tausend gefordert hatte, um die Hälfte zu bekommen, protestierte ein wenig und willigte bald ein. Gegen die Diamanten hatte der Sekretär nichts einzuwenden, denn das war die übliche Bezahlung für Spione, Vertrauensmänner, Verleumder, gedungene Mörder und Verräter. Die kostbare Ware war leicht zu transportieren und zu verkaufen, sie war vor den regelmäßigen Geldentwertungen geschützt und entging jeder Kontrolle durch Räte, Gerichte und andere Organe der Stadt. »Ihr werdet nach der Lieferung bezahlt«, bestätigte Formento nur lakonisch.
Riccio erschien dieses Versprechen ausreichend, und so ging er zum letzten Punkt über, der entscheidend war, um die ganze Operation zu einem glücklichen Ende zu bringen: die Gefangennahme Tomeis. Er erklärte dem Sekretär, dass auf keinen Fall Fehler gemacht werden durften. Er und der Florentiner würden sich morgen Schlag zwölf auf dem Bootsfriedhof der Giudecca treffen. Diesen Haufen verrottendes Holz zu umzingeln dürfte nicht schwierig sein. Tomei versteckte sich in einem großen abgewrackten Lastkahn mitten auf dem Friedhof.
»Betrachtet ihn bereits als Insassen der Pozzi«, lächelte Formento.
Mehr gab es nicht zu sagen, der Sekretär verließ ihn. Angelo Riccio versenkte sich ins Gebet, die Augen zu Christus erhoben, der zwischen den Heiligen Markus und Isidor saß. Er widerstand eine Weile, dann musste er sie senken.
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Von den fünfzig Mastbaumeistern und ihren zweiundsechzig Gesellen fehlte keiner. Und alle Segelnäherinnen waren da. Mit Schiffszimmerern, Kalfaterern, Rudermachern und Trägern waren sie mindestens tausend an der Zahl, und außer bei den Schmieden und Seilern ruhte die Arbeit im Arsenale an diesem Tag. Die Schreie hatten den Innenhof und die Portiken des Palazzo erfüllt und waren über die Treppen und Vorzimmer in sämtliche Säle vom Erdgeschoss bis zum Dachboden gedrungen. Nach einem gehörigen Rüffel seitens der Zehn hatte man darum bei Sonnenuntergang beschlossen, alle gefangenen Arsenalotti freizulassen. Denn beim letzten Mal hatte es wegen eines solchen Protestes einen Toten gegeben, und das Arsenale hatte fast eine Woche lang stillgestanden.
Als der erste freigelassene Arsenalotto im Hof erschien, brach ein derartiger Lärm los, dass die Fensterscheiben vibrierten, und der Mann wurde hochgehoben, um im Triumphzug über die Köpfe seiner Kameraden hinweggetragen zu werden. Das Schauspiel wiederholte sich noch achtmal. Nur einer fehlte, das Opfer, das die Republik forderte, um ihr Gesicht nicht ganz zu verlieren: Bernardo. Obwohl Andrea sich für ihn einsetzte, war nichts zu machen. Dieser Aufwiegler und Streithammel, der bei Protesten immer in der ersten Reihe zu finden war, musste bestraft werden. Hundert Dukaten, das war die Kaution für seine Freilassung. Sofort begann eine Kollekte unter seinen Kameraden, und nach nicht mal einer halben Stunde lagen die Münzen vollzählig in Francesco d’Angelos Mütze. Die letzten fünfzehn Dukaten steuerte Andrea bei. Nachdem dieses Kräftemessen beendet war, gingen die Arsenalotti nach Hause. Sie strömten durch die Porta del Frumento, zurück blieben ihr Geschrei und der Aufruhr. An diesem Tag schlossen sich Torflügel aus Massivholz und Bronze lange vor dem Läuten zur zweiten Nachtstunde.
»Ich danke Euch, Avvocato Loredan«, sagte Bernardo, während die beiden auf den Ponte della Paglia zugingen.
»Seid vorsichtig, macht keine Dummheiten mehr, denn die Richter werden nicht so gnädig mit Euch sein.«
Der Arsenalotto nahm seinen Arm. »Und Sofia?«, fragte er besorgt.
Andrea schwieg, nach einer Antwort suchend, die ihnen beiden eine konkrete Hoffnung gab.
»Ich muss es schaffen, sie ins Krankenhaus Santi Pietro e Paolo bringen zu lassen. Oder in die Krankenstube der Frauen hier im Palazzo. Alles hängt vom Gesundheitszeugnis ab, das ich von Dottor Foscari bekommen kann, und von der Unterstützung der Zonta, die Sofia morgen untersuchen wird. Ich werde dabei sein.«
»Gebt Ihr mir Nachricht?«, bat Bernardo vertrauensvoll.
Andrea spürte, wie unangenehm es ihm war, gegen seinen Willen antworten zu müssen.
»Ich werde Euch benachrichtigten, verlasst Euch darauf.«
Der Arsenalotto verbeugte sich lächelnd. »Euer Schuldner, Eccellenza.«
»Ihr werdet Euch erkenntlich zeigen können«, lächelte Andrea.
Sie gingen an den Cesendelli auf
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