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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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glaubten: Simone war in Wahrheit Benedettas eigenes Kind, und der Vater war ein Frate von San Giacomo auf der Giudecca. Doch von all dem hatte der Fischer nichts gesagt.
    Nachdem die erste Salve an Fragen abgefeuert war, folgte eine unvermeidliche Frage: woher hatte Simone die vierhundertsechzig Golddukaten für den Erwerb des Hauses?
    »Ich spare schon mein ganzes Leben, ehrwürdigster Messer!«, antwortete er hastig.
    Eine solche Antwort hatte Catanio erwartet. Er nickte und machte jemandem ein Zeichen.
    Als nach dem Mittagsläuten Puti die Folterkammer betrat, schwanden dem Fischer Simone Simoncin die Sinne, und man musste ihm Essig unter die Nase halten. In dem engen, rechteckigen Raum von zwanzig mal sieben Fuß waren viele versammelt. Catanio natürlich, mit Notar und Skribent, außerdem Andrea Dolfin und Nicolò da Ponte. Dottor Dalessi stand zum Eingreifen bereit.
    »Woher hast du das Geld für dieses Haus genommen?«, fragte Dolfin erneut.
    »Die Ersparnisse eines ganzen Lebens«, wiederholte der junge Mann erschöpft, doch inzwischen schien er es selbst nicht mehr zu glauben.
    Catanio gab Befehl, Simoncin an den Strick zu fesseln. Puti führte ihn aus, stumm und präzise wie immer. Simoncin musste auf das Bänkchen steigen, und der Arsenalotto band ihm den Strick um die auf den Rücken gelegten Handgelenke.
    Catanio holte ein Papier hervor und las vor, was der Fischer Simone Simoncin in seinem Leben, nämlich in acht Jahren Arbeit, davon vier als Lehrling, verdient haben konnte: etwa zweihundertfünfzig Dukaten, sicher eher weniger als mehr. Simone schrie, das sei nicht wahr. Catanio ließ ihn hochziehen und in der Luft schweben, worauf der Fischer sofort um Gnade flehte und alles erzählte: die Großzügigkeit von Suor Benedetta; der Schwur, den er ablegen musste, niemandem von ihrem wunderbaren Geschenk, dem Haus auf Burano, zu erzählen. Dann brach er in Tränen aus.

101
    Die Luft, die Erde und das Wasser hatten ihre eigenen Rhythmen, ihre eigenen Harmonien, und ein aufmerksamer Maler kannte sie so gut wie ein Matrose oder ein Bauer. Filippo Tomei wusste, dass die zarte Dichte von Nebelschwaden dem Ungestüm des Windes nicht lange standhält und dass sie fortgeweht werden würden. Bis zu diesem Moment jedoch war der Nebel, der die Lagune einhüllte, für ihn wie gerufen gekommen. Tomei hatte die Nacht auf einem Frachtkahn verbracht, einer mit Artischocken beladenen caorlina , die bei den Gärten von Ponte Lungo auf der Giudecca vertäut lag. Er hatte sich als Matrose verkleidet, trug ein wollenes Hemd und Hosen aus Barchent. Die Mannschaft bestand aus vier Männern, alle aus derselben Familie, zuverlässige Leute, die Gemüse von Venedig nach Chioggiabrachten. Zuàndomenico de’ Fabii hatte die Fahrt für ihn organisiert. Die Caorlina würde bald ablegen, sobald die Sicht fünf oder sechs Armlängen betrug. Tomei schrieb die Botschaft zu Ende, faltete das Blatt zweimal, versiegelte es und schrieb in Schönschrift den Namen des Adressaten darauf: Hochverehrter Signor Segretario Zuàne Formento . Dann gab er es einem Jungen, zusammen mit zwei Lire. Er sagte dem Jungen, er solle das Mittagsläuten abwarten und die Botschaft dann auf den Bootsfriedhof bringen, wo jemand ihn bei dem großen abgewrackten Kahn erwarte. Gerade hatte er dem Jungen den Brief gegeben, da befahl der Kapitän, die Anker zu lichten und den Bug auf die Durchfahrt zu richten, die die Giudecca mit dem Canale dell’Orfano verband.
    Der Junge war pünktlich. Beim ersten Mittagsläuten war er losgelaufen. Auf diesem Bootsfriedhof spielte er manchmal mit seinen Freunden, und er kannte den alten Kahn in der Mitte. Den schwarzgekleideten Mann sah er sofort, als er mit zwei anderen am Heck des Kahns auftauchte. Der Junge blieb ein paar Schritte entfernt stehen, denn nun fürchtete er sich. Das mussten Leute aus dem Palazzo sein, Sbirren oder Fanti. Sie gefielen ihm nicht.
    Zuàne Formento hatte den Kahn inspiziert, aber von Tomei keine Spur gefunden. Er begriff sofort, dass dieser Junge zu ihm wollte. »Suchst du jemanden?«, rief er ihm aus zwanzig Schritt Entfernung zu.
    »Ich habe eine Botschaft«, antwortete der Junge.
    »Komm her, hab keine Angst!«, rief Formento.
    Der Junge, der ihm misstraute und auf keinen Fall näher kommen wollte, legte das Papier auf die Planken eines Bötchens. »Ich lasse sie Euch hier, Messere!« Dann nahm er die Beine in die Hand.
    Formento gab Zaneto, dem Hauptmann der Wärter in den Pozzi, ein Zeichen, und

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