Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
Vom Netzwerk:
die Mauern warf!« Der Ton der Nonne war auf einmal sehr heftig.
    Nun trat da Ponte ins Zimmer, gefolgt von den anderen.
    »Was ist hier los?«, fragte er, seine schallende Stimme ein wenig dämpfend.
    »Seht her, Senatore.« Andrea trat einen Schritt zurück, um ihm Platz zu machen. »Sie ist gefoltert worden!«
    »Wie könnt Ihr so etwas behaupten! Das ist eine Verleumdung!«, erregte sich sofort die Äbtissin.
    »Bitte schreit nicht«, sagte Luca.
    Sofia bewegte die Hand, den Arm. Ihre Lider zuckten, sie öffnete ein wenig die Augen. Erst blieb sie reglos, starrte ins Leere, dann drehte sie den Kopf und bemerkte die Anwesenden. Sie zeigte keinerlei überraschte Reaktion, ihr Blick schweifte nur über jeden einzelnen, als beobachtete sie die Gruppe hinter einem Fenster. Dann traf ihr Blick auf Andrea und blieb stehen.
    »Signori, wenn Ihr gestattet«, sagte Luca, an die Umstehenden gewandt, »möchte ich Signora Ruis untersuchen.«
    Stille entstand, alle sahen einander an.
    »Gewiss doch.« Da Ponte war der Erste, der sich vorwagte.
    »Seid vorsichtig!«, ermahnte ihn da Mula. Und während die beiden Senatoren ihr unablässiges Duell mit einem stummen Blickwechsel fortsetzten, verließen sie als Erste den Raum, gefolgt von der Äbtissin und den anderen hohen Herren.
    Zurück blieb Andrea, der tat, was er schon im ersten Moment hätte tun wollen: Er kniete neben Sofia nieder und nahm ihre Hand. »Habt keine Angst, ich werde Euch nicht im Stich lassen«, sagte er und spürte, wie sie sich sofort an seine Hände klammerte und ihn zu sich zog. Er näherte sich ein wenig. Unter großen Mühen hob Sofia den Kopf und sprach.
    »Gabriele, habt Ihr Nachrichten von meinem Gabriele?«
    Andrea stockte der Atem. »Nein, Sofia, leider nicht.« Er kam noch näher, bis seine Lippen fast ihr Gesicht berührten. »Aber das ist gut, es heißt, dass er weit weg ist, dass er in Sicherheit ist.«
    Jetzt war sie es, die zögerte. »Bringt mich weg von hier«, flüsterte sie angestrengt. »Sie töten mich.« Dann fiel ihr Kopf zurück auf das Kissen.
    »Loredan!«
    An der Tür stand Lorenzo da Mula und beobachtete ihn beunruhigt.
    »Geh!«, murmelte Luca, der Sofias Flehen gehört hatte. Andrea sah den Freund an. »Du machst alles nur schlimmer, geh jetzt!«, mahnte Luca.
    Andrea warf einen letzten Blick auf Sofia, strich ihr über das Gesicht und löste sich von ihr.

100
    Simone Simoncin, zwanzig Jahre alt, Fischer, holten sie noch vor Sonnenaufgang in Murano aus dem schönen Haus, das er sich im Viertel San Martino gekauft hatte. Der Signore di Notte Alvise Catanio kam mit vier Sbirren an Bord einer Fregatte der Zehn. Wegen der Kälte schlief die Familie Simoncin zusammen in einem Bett, Vater, Mutter und die zwei Kinder. Als die Sbirren klopften, dachte Simoncin, er habe die Glocke überhört und verschlafen, und das sei sein Fischerkamerad, der ihn abholen kam. Er öffnete, und flugs ergriffen sie ihn, noch bevor er die Tür wieder schließen oder fliehen konnte. Nicht einmal Schuhe konnte er sich anziehen, die Eisen schlossen sich um seine Handgelenkte, und weg war er, unter den Schreien seiner Frau und dem Weinen der Kinder.
    Sie brachten ihn in das Verhörzimmerchen unter einem Treppenabsatz in den Gefängnissen des Dogenpalastes, die zur Mole hin lagen. Das Verhör war scharf, die Schreie fürchterlich. Auf die Fragen nach seiner Lebensgeschichte hatte Simoncin ohne Zögern geantwortet: sein Vater Giuseppe sei Holzfäller, seine Mutter Angiolina Wäscherin. Bescheidene, rechtschaffene Leute von der Terraferma, aus Feltre.
    Alvise Catanio wusste das schon, und er wusste noch mehr: Simone war nicht das eigene Kind von Giuseppe und Angiolina, sondern ein Findelkind, ausgesetzt auf der Kinderklappe des Klosters Santa Maria della Celestia.
    Der Beamte hatte sich gefragt, warum eine Nonne der Celestia diesen Findling so liebgewonnen hatte, dass sie ihn auch später noch wie eine Mutter umsorgte und ihm fortwährend alles Geld, über das sie verfügen durfte, zukommen ließ, ja, das Kind sogar mindestens zweimal im Jahr besuchte. Als die Ermittlungen fortschritten, hatte Catanio entdeckt, dass Suor Benedetta dieses Kind acht Jahre zuvor, als es herangewachsen war, wieder in die Nähe von Venedig gebracht hatte, indem sie es ihrem Vetter anvertraute, einem Fischer aus Burano, der den Jungen das Fischerhandwerk lehrte und ihm ein Dach über dem Kopf gab. Und nach weiteren Fragen war eine Geschichte herausgekommen, die in der Celestia viele

Weitere Kostenlose Bücher