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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Andrea.
    Der Glasmeister versuchte, den Sturm seiner Gefühle zu besänftigen und die nötige Gelassenheit für einen Bericht zurückzugewinnen.
    »Wenn alles richtig gelaufen wäre, hätte Lucia mir das Buch und das Glas geben sollen   …«
    »Wovon sprecht Ihr?«, unterbrach ihn Andrea.
    »Hat Marin Euch nichts darüber gesagt?«
    »Nein.«
    Jacomo musterte ihn, dann entschloss er sich zu reden.
    »Der Hinweis auf den Ort, an dem die Bücher von Lucrezia versteckt sind, ist eine Chiffre aus drei Bestandteilen: eine mathematische Zahlenfolge, ein Buch und ein Glas.«
    Andrea legte sich eine Hand an die Stirn und glättete mit den Fingerspitzen die wenigen Falten.
    »Die Zahlenfolge«, fuhr Dragan fort, »ist auf dem goldenen Ring eingraviert: α β γ δ η κ ζ . Von dem Buch kann ich Euch sagen, dass es sich um Platons Timaios handelt. Kennt Ihr es?«
    Andrea nickte.
    »Ein kleines Buch im Vigesimoquart-Format«, erklärte Dragan. »Ein Probedruck, von dem Alessandro Paganini nur zehn Exemplare herstellte, kein Verkaufserfolg. Einige wurden an Gelehrte und Literaten verschenkt, aber sie zogen die Ausgabe von Aldo Manuzio vor. Ein Exemplar behielt Alessandro selbst, das dritte schenkte er Eurer Mutter, die schon mit dreizehn Jahren aus dem Griechischen übersetzte. Nach ihrem Tod ging es in den Besitz von Lucia Vivarini über.«
    Andrea erinnerte sich, was Ermonia und später Marin ihmvon seiner Mutter erzählt hatten. Es stimmte mit Dragans Bericht überein.
    »In der Nacht der Explosion hätte Lucia Gabriele Ruis den Timaios übergeben sollen, und Gabriele sollte ihn mir bringen.«
    »Gabriele war betrunken, an seiner Stelle ging Tonino in die Celestia und wurde umgebracht«, fuhr Andrea fort. »Derjenige, der dieses Kind getötet hat, könnte das Buch mitgenommen haben.«
    »Für dieses Buch wurde und wird weiterhin getötet. Ihr müsst wissen, worauf Ihr Euch einlasst«, ergänzte Dragan.
    »Und was könnt Ihr mir über das Glas sagen?«, fragte Andrea, um sich von der Angst abzulenken, die ihn packte.
    Dragan lächelte. »Es ist der Schlüssel zu allem. Die Seiten des Timaios , die durch die Zahlenfolge angegeben werden, müssen durch das Glas gelesen werden, dann wird, was dunkel schien, klar.«
    »Ein Gitter zur Entschlüsselung?«, murmelte Andrea.
    »Ein Gitter, ein Netz, eine Karte, nennt es, wie Ihr wollt. Fest steht nur, dass ohne diese drei Gegenstände, die zusammen benutzt werden müssen, Lucrezias Bücher dort bleiben werden, wo sie sind.«
    Andrea schien es, als kämen Dragan all diese Antworten zu leicht über die Lippen, doch er fuhr fort, nach dem zu forschen, was ihn schon seit einer Weile beschäftigte: »Es gibt noch etwas, was ich Euch fragen wollte: woher hattet Ihr die hundertzwanzig Dukaten, die Ihr mir damals im Gefängnis für Ermonia anvertraut habt?«
    »Sie befanden sich in den Pozzi unter einem Stein.«
    Andreas Stirn überzog sich mit Falten. »Die Münzen hatten eine Prägung der Zeit der Dogen Gritti und Lando. Das war vor dreißig Jahren!«
    »So ist es.«
    Andrea sah ihn verblüfft an. »Habt Ihr sie etwa dort hineingetan, als Ihr im Gefängnis saßt?«
    »Ich nicht.«
    Nach kurzem Zögern fragte Andrea: »Wer dann?«
    »Jemand anders«, lautete die lakonische Antwort.
    »Darf ich nicht erfahren, wer das war?«
    »Und darf ich Euch fragen: Vertraut Ihr mir?«
    »Das würde ich gerne.«
    »Ihr solltet es tun, denn das, was ich Euch nicht erklären kann, müsst Ihr mir glauben.«
    »Wer war es also?«
    Jetzt zögerte Jacomo. »Eure Mutter«, flüsterte er dann. »Lucrezia ließ das Geld dort hinterlegen.«
    Andrea starrte ihn an. »Warum?«
    Jacomo erwiderte seinen Blick. »Weil sie mich retten wollte. Sie wusste, dass ich unschuldig war.«

120
    Wasser war auch auf der Terraferma nicht rar, sondern durchzog sie in Form der Brenta, des Bacchiglione und Myriaden von Kanälen und Wasserstraßen, auf denen Menschen und Waren reisen konnten, und dieses Werk kundiger Fachleute für Hydraulik war ein Segen und Quell des Reichtums.
    Nach einer sorgenschweren Nacht, die Frate Angelo Riccio im Haus der Kanoniker gegenüber der Kurie verbracht hatte, war er am frühen Morgen in einer sauberen Kutte, einschließlich Skapulier und Umhang mit Reisesack und Pistole, zum Portello im Osten Paduas geeilt, wo die Boote von und nach Venedig anlegten. Hier würde, wie ihm Fra Aurelio Schellino durch einen Boten hatte mitteilen lassen, Schellino selbst mit zehn Dominikanerbrüdern, allesamt

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