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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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damit beschäftigt war, den Marmor zu polieren. Sofia blickte den Abt fragend an, der nickte lächelnd. »Geht, geht nur«, flüsterte er.
    Sie nahm ihren Mut zusammen und lief dann schnell durch das ganze Kirchenschiff.
    Gabriele, der oben auf seiner Leiter ihre Schritte hörte, hielt inne, wandte sich um, und Erstaunen malte sich auf sein Gesicht. Er erkannte sie nicht sofort wegen der kurzen Haare, doch als er sie erkannte, warf er den Lappen weg und sprang mit einem Satz vom Gerüst. Die beiden umarmten sich weinend. Küsse und wortlose Zärtlichkeiten folgten, und noch immer klammerte sich Gabriele fest an sie, als wollte er in sie eintauchen.
    Andrea nahm eine Bewegung zu seiner Linken wahr und drehte sich um: Vor einer der Votivkapellen stand Jacomo Dragan in der Kutte der Bettelmönche und blickte Andrea unverwandt an.
    Der »Weg der Worte« war zweihundert Schritt lang und hinter einer dichten Reihe Zypressen verborgen, die dort angepflanzt waren, um die ungestümen Nordwinde ebenso zu zügeln und zu besänftigen wie ungestüme Worte. Andrea, der mit Dragan aus der Kirche gegangen war, hatte seinen Zorn zurückhalten können, bis sie auf diesem Weg waren, der von Osten nach Westen an der Umfriedungsmauer entlanglief und so die Gemeinschaftsräume des Klosters – Kirche, Kapitelsaal, Refektorium, Haus der Novizen, Sprechzimmer und Gästehaus – mit den zwanzig Häusern verband, in denen die Eremiten lebten.
    »Ihr habt Euch als Türke ausgegeben und seid Venezianer!«, griff Andrea ihn an. »Ihr wurdet wegen eines Diebstahls im Haus meines Vaters verurteilt! Ihr habt Euch als Pilger verkleidet! Ihr seid geflohen und habt bei Eurer Flucht zwei Jungen mitgenommen! Das war Wahnsinn! Und jetzt sehe ich Euch in dieser Mönchskutte wieder! Wer seid Ihr wirklich?«
    Sie kreuzten zwei ins Gespräch vertiefte Mitbrüder. Vier Verbeugungen wurden gewechselt. Als die beiden sich entfernt hatten, sagte Jacomo: »Dies ist ein heiliger Ort, sprecht leise, bitte.«
    »Dragan, wenn man einen Angeklagten verteidigen will, welches Verbrechen er auch immer begangen haben mag, muss man die Wahrheit kennen! Ihr könnt den Untersuchungsrichter anlügen, aber nie dürft Ihr den Anwalt belügen, der Euch verteidigt! Niemals!« Er holte Atem, während er versuchte, im Gesicht des Alten eine Reaktion auf seine Worte zu erspähen.
    »Behandelt mich nicht wie einen Schuljungen!«, erwiderte Dragan. »Ich habe dreißig Jahre im Land der Türken gelebt, um einer ungerechten Verurteilung zu entgehen, ich habe eine türkische Frau geheiratet, und mir wurde der Name Mehmet Hasan gegeben, aber ich achte die göttlichen Gebote, ich habe nicht in Eurem Elternhaus gestohlen, und ich trage keine Schuld an der Explosion des Arsenale. Wenn ich Euch ein paar Dinge nicht gesagt habe, hatte ich meine Gründe dafür. Und schweigen bedeutet nicht lügen. Sagt mir lieber, wie habt Ihr mich gefunden?«
    Andrea atmete tief ein und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, war sein Blick ein wenig ruhiger geworden. »Das werde ich Euch sagen, aber erst möchte ich Euch etwas zeigen.« Er zog sich den Ring ab, den er am Zeigefinger trug, legte ihn auf seine Handfläche und hielt ihn Dragan vor die Augen. Es war der goldene Ring der Wächter. »Erkennt ihr den?«
    Fast ein wenig furchtsam nahm Jacomo den Ring zwischen Daumen und Zeigefinger, hob ihn hoch, untersuchte die Innenfläche und blickte dann wieder Andrea an. Er war tief verstört.
    »Wo habt Ihr den gefunden?« Die Worte lösten sich von seinen Lippen wie Blutstropfen aus einer Wunde.
    »Ich habe ihn von Zuàn Francesco Marin bekommen, dem amtlichen Chiffreur des Palazzo. Ich weiß, dass Ihr Euch gut kennt.«
    Der alte Glasmeister blickte Andrea durchdringend an. »Hat Marin Euch die Geschichte dieses Rings erzählt?«
    Andrea nickte. »Er gehörte meiner Mutter Lucrezia. Und er ist das Wahrzeichen des Bundes der Wächter.«
    Beide schwiegen. Jacomo schloss die Augen, wie von einem jähen Schmerz getroffen. Als er wieder zu Andrea aufsah, schien er innerlich aufgewühlt zu sein.
    »Hat Marin Euch gesagt, dass ich mich hier verstecke?«
    Andrea schüttelt den Kopf.
    »Wer dann?« drängte Jacomo.
    »Ermonia Vivarini.«
    »Warum seid Ihr mit dieser Frau hierhergekommen?«
    Jetzt zögerte Andrea. »Sie ist Gabrieles Mutter, Sofia Ruis. Ich habe sie aus dem Kloster San Servolo geholt. Das Gericht des Heiligen Offiziums hatte sie dort eingesperrt.«
    Jacomo erschauderte und gab ihm den Ring

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