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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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auftauchten und sich zu einer Barriere vor dem Golf von Patras aufreihten.
    Unterstützt vom Oberkanonier leitete Bepo Rosso in seiner Rolle als Hauptmann am Bug die Zurichtung des Decks und die Instruktion seiner Männer, damit alles vorbereitet war und reibungslos verlief. Die auf ein einziehbares Gestell montierte, viertausend Pfund schwere Kanone im Mittelsteg konnte bis zu drei Meilen weite Schüsse abgeben, und bei jedem Schuss betrug ihr Rückstoß auf den Eichenplanken des Stegs mindestens drei Schritt. Die beiden zwanzigpfündigen Kolubrinen zu beiden Seiten der Kanone hatten trotz ihres kleineren Kalibers eine Reichweite von über einer halben Meile. Die vier Steinschleudern, zwei auf jeder Seite, die Kartätschen schossen, sollten kurz vor dem Entern zum Einsatz kommen und möglichst viele Feinde vernichten, damit die Fanti freie Bahn hatten. Bepo hatte vier Ruderbänke zudecken lassen, auf denen seine Fanti hinter den Kanonieren sich vorbereiten konnten. Gerade ließ er Kisten mit Zwieback und Käse, Wasser und Wein hinter dem Fockmast bereitstellen, die unter der Aufsicht des Kochs und des Schreibers an die Kämpfer verteilt werden sollten. Sechzig Fanti unterstanden seinem Kommando, alle knieten auf den beiden Seitenstegen nieder, um den Segen des Kaplans zu empfangen. Rosso hatte sie in drei Truppen zu je zwanzig Mann unterteilt. Die erste Mannschaft sollte eine vollständige Rüstung tragen, weil die Pfeilhagel und Salven der feindlichen Arkebusen sie als Erste treffen würden. Die zweite trug nur den eisernen Brustpanzer und einen halben Helm, sie war mit Arkebusen, Piken und Kurzschwertern bewaffnet. Die dritte sollte das Deck vor Angriffen schützen. Die ersten beiden Mannschaften bestanden nur aus Junggesellen und Freiwilligen. Jene, die eine vollständige Rüstung trugen, liefen doppelt Gefahr, zu sterben, denn wenn sie ins Wasser fielen, würde das Gewicht des Eisenpanzers sie auf den Meeresgrund herabziehen.
    » Und nun, so spricht Jehova, der dich geschaffen, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel. « Der Kaplan begann, den dreiundvierzigsten Psalm zu sprechen. » Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Wenn du durchs Wasser gehst, ich bin bei dir, und durch Ströme, sie werden dich nicht überfluten; wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt werden, und die Flamme wird dich nicht verbrennen .«
    Bepo Rosso, der hinter dem Kaplan stand, entschied, dass dies der richtige Moment sei. Er öffnete die Luke des Ankerraums und kletterte die Treppe hinunter. Ein paar Ratten verkrochen sich eilig, die Stimme des Kaplans war nicht mehr zu verstehen, sie wurde vom Geräusch der Bugwellen verschluckt.
    Direkt an der Schiffswand, zwischen Anlegetauen, Ketten und einem schweren Anker, befand sich sein kleiner Schlafplatz: ein Brett, zwei mal sechs Fuß groß, von einer an Seilen befestigten, rohen Leinwand geschützt, damit er nicht herunterfiel. Er hob das Brett an, streifte seinen Kittel und das Hemd ab und stand mit nacktem Oberkörper da. Er öffnete ein Kästchen aus Metall: Darin lag der Timaios in Vigesimoquart, in schwarzen Organza gebunden. Er blätterte in dem Buch, klappte es wieder zu, führte es an seine Lippen und küsste es. Dann legte er den kleinen Band in das Kästchen zurück, nahm Kettenfett aus einem Eimer und strich es sorgfältig über alle Ritzen, um das Behältnis wasserdicht zu machen. Darauf steckte er das Kästchen in einen kleinen Ledersack mit vier Riemen, den er sich auf den Rücken schnallte, die Riemen über Kreuz. Darüber zog er Hemd und Weste.

6
    Andrea beugte sich über die Bordwand der Brigantine, ergriff mit einem Kameraden das Netz aus Schiffstauen und holte die letzte, mit Wasser gefüllte Inghistera an Bord. Sie verstautendie Flasche im feuchten Ballastsand im Heck und schlossen die Wegerung wieder mit Brettern. Drei Männer standen noch im flachen Wasser und rieben sich den Dreck mit Bimsstein von der Haut. Der Wind roch nach feuchter, von der Sonne gewärmter Erde, der Dunst über dem Sumpf verflog und öffnete den Vorhang zu einem Tag, der eher sommerlich als herbstlich zu werden versprach. Es war eine jener flüchtigen Pausen, die die Südstürme gewähren. Ein solcher Windstoß süßlicher Luft trug den Lärm heran. Andrea hörte ihn. Der Kapitän hörte ihn und sprang auf das Dach des Deckshauses. Die Männer hörten ihn und schauten sich um. Es schienen Trommeln zu sein, Tausende von

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