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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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an zu schreien und sie zu verspotten.
    Die Mannschaften bereiteten sich auf einen neuerlichen Pfeilhagel vor. Sie warteten. Einige betend, andere fluchend. Doch die Türken hatten aufgehört zu schreien und sie zu verlachen. Eine Weile warteten sie noch, unter den Brettern kauernd. Dann reckte der Kapitän seinen Kopf und staunte: die Türken waren verschwunden. Er gab Befehl, die Verwundeten in die Kabine zu bringen und weiter zu rudern. So geschah es. Die Brigantinen nahmen Fahrt auf und steuerten aufs offene Meer zu. Als sie die Mündung erreicht hatten, sahen sie, dass die türkischen Reiter sich nach Süden hin auf dem Strand verteilten, während etwa dreißig Galeeren der Heiligen Liga ihren Bug langsam zwischen der Küste und den Inseln Koutsilaris und Oxia vorschoben, umdie gefährliche Passage über die Untiefen zu nehmen. Auf offener See, hinter Oxia, schleppten ein paar Schiffe zwei große Galeassen.
    »Sie reihen sich in Schlachtordnung auf!«, rief der Kapitän aus. »Das da vorne muss die türkische Flotte sein.« Er sah seine Männer an, und als hätte er ihre Gedanken erraten, fuhr er fort: »Männer, der Befehl von Querini lautete, nach Candia zurückzukehren. Aber ich frage euch: Wollt ihr kämpfen?«
    Alle schwiegen.
    Dann sagte jemand: »Viva San Marco.«
    »Viva San Marco!«, antworteten viele.

7
    Sie hatten auf den Matten gebetet, nach Süden gewandt. Als der Großadmiral Müezzinzade Ali Pascha, gefolgt von seinen beiden Söhnen, drei Offizieren und einem Signalgeber aus dem Achterkastell kam, verstummten alle Trommeln, Hörner und Pfeifen an Deck. Es blieb nur das Rauschen des Meeres, das vom Bug der Sultana geteilt wurde, das Pfeifen des Ostwinds in der Takelage und das Knattern von gut zwanzig Standarten und Flaggen. Ali, ein Gesicht wie aus Baumrinde, offener Blick, breiter Schnurrbart und gepflegter Backenbart, trug einen Turban mit großer Feder, einen langen, bestickten Überrock, in der Taille mit einem Stoffgürtel gebunden, und Metallpanzer zum Schutz der Schultern und Arme. Langsam schritt er den ganzen Mittelsteg ab, dabei sprach er mit wohltönender, gebieterischer Stimme zu seinen Männern. Im Namen und mit Hilfe Gottes verlangte er Ruhmestaten und Opfer von seinen Janitscharen und Sipahi, während er den christlichen Sklaven die Freiheit versprach und sie an die Gunst erinnerte, die er ihnen stets erwiesen hatte. Die Männer verbeugten sich, küssten sein Gewand und riefen Gott den Allmächtigen an.
    Am Bug angelangt, stieg er auf die Enterbrücke und legte die Hände auf die Brüstung. Vor sich hatte er den Rammsporn der Galeere, das Meer und die feindliche Armada. Er blickte zum Archipel der Curzolaren. Hinter der Insel Oxia sah man viele Schiffsmasten aufragen. Kein Zweifel: Die Christen brachten sich auf einer Frontlinie von mindestens vier Meilen in Stellung zur Schlacht. Sie waren viele. Er dachte an seine Gemahlin, an die zärtlichen Küsse, mit denen sie sich getrennt hatten, an ihren Duft, an die Tränen. Er bangte um seine Söhne: Mahmut war noch nicht vierzehn, Ahmed fast siebzehn. Es war ein großer Fehler gewesen, sie mitzunehmen. Er bereute, dass er es getan hatte.
    Die Sorge ergriff Besitz von ihm. Er wusste, dass dann die Angst folgen würde. Und sie war das schlimmste Übel für einen kapudan pa ş a , einen Großadmiral. Er dachte daran, dass die türkischen Galeeren noch immer gegen die Christen gewonnen hatten, vor und nach der großen Schlacht bei Preveza im Jahr 1538. Der Gedanke tröstete ihn ganz und gar nicht, seither waren viele, zu viele Jahre vergangen. Er dachte, dass er sich in dieses Unternehmen gestürzt hatte, weil der Sieg ihm gewiss war. Man musste genauer auf den Großwesir Sokollu Mehmet Pascha hören. Sultan Selim war zu arrogant, zu hochmütig. Und diesen Lärm von Trommeln, diese Musik, die Schreie und das Tanzen auf seinen Schiffen, das alles ertrug er nicht. Er überlegte, dass er Stille befehlen würde, und wandte sich an seinen Signalgeber. Der junge Mann sah ihn hoffnungsvoll an. Er wollte ihn nicht enttäuschen.
    »Gib Signal«, sagte er. »Halbmondanordnung, die Spitzen eine Meile voraus.«
    Der Signalgeber verbeugte sich, dann drehte er die kleinen Spiegel zu den fünfundfünfzig Galeeren unter dem Kommando von Mehmet Schirokko auf der Rechten und begann, mit Hilfe der Sonnenreflexe Zeichen zu geben. Nach kurzer Zeit blitzten über die ganze Linie hinweg bis zu den letzten Schiffen die Antwortlichter auf. Das Gleiche wiederholte

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