Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Trommeln, alle zu einem einzigen Wirbel vereint. Der Lärm schwoll an, brachte die Luft zum Vibrieren und nahm eine bestimmte Richtung. Auf seinem Beobachtungsposten wandte der Kapitän sich nach Osten, wo ein dichter Schwarm Störche aufgeflogen war. Dort hinten, auf dem fruchtbaren Schwemmland, das der Fluss gebildet hatte, entdeckte er sie, weniger als eine Meile entfernt: eine dunkle Reihe aus galoppierenden Reitern, die sich auf der Ebene über mindestens zwei Meilen Breite erstreckte und fast bis zum linken Ufer des Acheloos reichte.
»Die Türken!«, schrie der Offizier, vom Deckshaus springend. »Die Türken! Schnell weg! Weg von hier!«
Augenblicklich begann auf beiden Brigantinen ein hektisches Treiben. Die Männer sprangen wild durcheinander, als hätten sie glühende Kohlen unter den Füßen. Wer nackt war, blieb nackt. Wer gerade aß, warf alles weg. Zu viert sprangen sie über die Ruderbänke und warfen sich am Bug auf das Ankertau, um es stolpernd und fluchend hochzuziehen. Acht Ruderer der Heckmannschaft, darunter auch Andrea, stießen die Riemen ins Wasser und begannen zu rudern, um denen zu helfen, die noch den Anker lichteten. Andere griffen nach den Arkebusen, die der Steuermann vor der Kabine herausgab. In diesem scheinbaren Chaos, das sich in Wirklichkeit strenger, vielfach erprobter Ausbildung verdankte, verharrten nur die drei Männer verwirrt im Fluss.
»Beeilt euch, um Gottes willen!«, brüllte der Kapitän.
Als sie erkannten, dass das Schiff ablegte, stürzten sie sich ins hoch aufspritzende Wasser und beeilten sich schwimmend oder laufend die Brigantine zu erreichen. Sie ergriffen das Tau und hievten sich an Bord.
Zum Dröhnen der Pferdehufe gesellten sich jetzt die durchdringenden, gellenden Schreie der Reiter.
Entschlossen lenkte der Ruderführer das Schiff auf die Mitte des Flusses zu, fast bis zum rechten Ufer, möglichst weit von den türkischen Reitern entfernt. Beide Mannschaften ruderten mit voller Kraft. Vier Männer bereiteten die Arkebusen vor und postierten sich am Bug, wo der Kapitän stand, der den Ruderführer über die Untiefen des Acheloos lenkte.
Die Schiffe fuhren mit dreißig Ruderschlägen pro Minute, einer Geschwindigkeit von acht Knoten, die zusammen mit der Strömung zehn Knoten ergab. Doch die Pferde galoppierten viermal so schnell und waren schon sehr nah. Andrea, der wie seine Kameraden sitzend, mit dem Rücken zum Bug ruderte, konnte die Reiter genau erkennen. Es waren Sipahi, sie trugen weite rote Hosen, die im Gegenwind flatterten, grüne Langhemden, einen länglichen Helm und an der linken Hüfte eine Pike mit der Oriflamme. Sie ritten ohne Zaumzeug, denn sie hielten ihre knöchernen Bogen in den Händen. Bis zur Flussmündung war es noch eine Viertelmeile. Die Besatzung musste sich auf den Pfeilregen vorbereiten. Und dagegen gab es nur ein Mittel: Der Kapitän gab Order, alle Ruder einzuziehen, nur vier Männer am Heck, darunter Andrea, sollten weiterrudern. Dann befahl er jedem Mann, ein Brett aus der Wegerung zu nehmen und sich bereitzuhalten. Er selbst bewaffnete sich mit dem Deckel der Bugluke. Unter ohrenbetäubendem Geschrei galoppierten die Reiter am Ufer entlang, ohne anzuhalten und ohne Pfeile abzuschießen.
»Auf meinen Befehl!«, sagte der Kapitän, den Blick auf die Türken gerichtet, die sich jetzt mit ihren Pferden am Ufer aufreihten. Es mochten fünfhundert sein. Er sah sie zu den Pfeilen greifen und ihre Kurzbögen mit den zurückgebogenen Enden spannen.
»In Deckung!«, schrie er, und alle Ruderer hoben wie ein Mann die Bretter, als wären es Schilde, während Andrea und sein Rudergefährte in die Kabine stürzten und die anderen beiden Ruderer sich unter den Bänken verkrochen.
Die Luft erfüllte sich mit einem Sausen. Kurz darauf bohrten sich unzählige Pfeile in das Boot, es klang wie Knüppelschläge. Ein paar Männer schrien, sie waren getroffen. Die Pfeile drangen eine halbe Handbreit in die Planken und ließen Holzsplitter auffliegen, die linke Bordwand und die Aufbauten spickten sich mit Pfeilen wie Igelstacheln. Eine zweite Ladung folgte, dann eine dritte. Dies war der Moment, um zurückzuschlagen.
»Feuer!«, befahl der Kapitän, und die vier Schützen eröffneten das Feuer, gefolgt von denen des anderen Schiffs. Die feindliche Linie begann leicht zu schwanken, mehr wegen der scheuenden Pferde als wegen eines tatsächlichen Schadens. Auf diese Entfernung konnten die Arkebusenschüsse wenig ausrichten. Die Türken fingen
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