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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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konnten. Etwa die Wassermenge, die die dreißigköpfige Besatzung für ihre Rückkehr nach Candia benötigte. Glas war der beste Behälter, denn Wasser war ein leicht verderbliches Gut, in den Fässern faulte es und musste abgekocht werden, wenn man sich nicht die Ruhr holen wollte.
    So hatte der Steuermann lange vor Sonnenaufgang, als Vromonas, eine der Curzolaren-Inseln, backbord in Sicht kam, nach links gewendet, indem er den Bug in die Bucht von Petalas an der Mündung des Flusses Acheloos lenkte. Der Kapitän kannte diese Küste und wusste, dass der heilige Fluss das beste Wasser hatte, denn es war klar, frisch und heilend. Die Einwohner sagten, es habe Zauberkräfte. Dieselbe Idee schien vielen anderen Kapitänen gekommen zu sein, da der Meeresabschnitt bis zur Insel mit Schiffslichtern gespickt war.
    Andrea, der am Ruder saß, drehte sich dorthin, wo der untergehende Mond das Meer berührte. Auf seiner leuchtenden Bahn erschienen die schwarzen Umrisse der Inseln wie Risse in einem hellen Seidenstoff. Der Kapitän hielt den Jakobsstab nach Norden, um ihre Position zu berechnen. Im Süden bereitete der Himmel sich mit jenem schwachen Schimmer, der dem Morgengrauen vorausgeht, auf den Tag vor. Andrea sah zwei graue Silhouetten, das mussten Oxia und Koutsilaris sein, die Inseln der schwarzen Ziegen, durch einen Meeresarm von knapp einer Meile Breite voneinander getrennt.
    Der Mannschaftsführer läutete die Glocke und gab den Bugruderern Befehl, sich den Kameraden im Heck zum scharfen,weit ausholenden Ruderschlag anzuschließen. Er erklärte, er wolle die Mündung des Acheloos noch vor den anderen Schiffen erreichen und den Fluss mindestens eine halbe Meile weit hinauffahren, wo das Wasser nicht mehr salzig war. Dann könnten die Männer auch endlich wieder ein Bad in Süßwasser nehmen.
    Die vierzehn Riemen tauchten alle gleichzeitig ins Wasser und vereinigten sich mit den Heckrudern. Der Mannschaftsführer schlug den Takt an, Andrea erhöhte langsam die Zahl der Schläge. Die Donna Velata di Seta nahm Fahrt auf, und ihr Zwilling, die Albero dai Frutti d’Oro , die im Windschatten fuhr, folgte ihr. Schon bald wurde daraus ein Wettrudern mit Gelächter und Spottrufen, das die Mannschaftsführer duldeten, denn ein gesunder Wettbewerb verkürzte die Zeit erheblich.
    Eine halbe Stunde später, als die Umrisse aller Inseln der Curzolaren sich deutlich abzeichneten und die Männer keuchten und ihre Muskeln spürten, fuhren die beiden Brigantinen, von denen mal die eine, mal die andere den Bug vorn hatte, zwischen Hügeln, Schilfwäldern und Sumpfgebieten in das kristallklare Gewässer des Acheloos ein. Hinter ihnen war niemand mehr, und von der riesigen Flotte sah man zwischen den Inseln nur die Großmasten langsam näher kommen.
    Der Kapitän ging zum Bug, um das Flussbett zu kontrollieren und dem Steuermann ein Zeichen zum Anlegen zu geben. Nach hundert weiteren Ruderschlägen kam der Befehl, die Ruder einzuziehen. Als das Schwanken nachließ, ankerten die Brigantinen. Die Ruder wurden unter den Bänken verstaut, und die erste Mannschaft erhielt die Erlaubnis zum Baden. Nachdrücklich wurde den Männern befohlen, sich im fließenden Wasser weit weg von den Booten zu waschen. Während der Wartezeit hoben Andrea und seine Männer die Decksluken und holten die Glaskrüge aus den Bilgen. Zwei Kameraden, die ins Wasser gesprungen waren, begannen die Krüge mit Flusswasser zu füllen.
    Auf beiden Brigantinen bestand die Hälfte der Mannschaft aus Galeerensträflingen, Leuten, die sich schwerer Verbrechen, außer Mord, schuldig gemacht hatten. Wenn man sie jetzt so nackt sah, wie sie beim Baden im eiskalten Wasser Späße machten, sich balgten und schrien, erschienen sie wieder wie unschuldige, sorglose Kinder.

4
    Mit dem Erwachsenwerden hatte Granzo das Lächeln, aber nicht sein scharfes Auge verloren, darum hatte Marino Contarini, der Eigner und Kapitän der Santa Maddalena , aus dem »Krebs«, seinem alten Spitznamen, einen »Luchs« gemacht.
    In dieser Nacht hatte der Steuermann ihn in den »Käfig« geschickt, für die schlimmste Schicht, die am Morgen, zwei Stunden vor Sonnenaufgang, wenn die Kälte auf See und die Angst dich umklammern und sich dir ins Fleisch bohren. Denn an diesem verfluchten Ort, einem runden Brett von zwei Fuß Durchmesser mit einer Brüstung aus Weidengeflecht, das knapp unterhalb der Spitze des Großmasts siebzig Fuß über dem Deck angebracht war, von wo aus die Galeere wie eine Nussschale

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