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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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begleitete den kleinen Trauerzug bis zu dem Nachen, der auf dem Rio di San Daniele wartete, um den Leichnam nach Padua zu überführen. Von dort ging er weiter bis zur Spitze von Castello, wo man im Hospiz Messer Gesù Cristo notleidende Matrosen und Ruderer aufnahm. Dort wurde er beköstigt, und man gab ihm sogar zwanzig Soldi, damit er bis zum Abend versorgt war. Seine Wunden unter der Stoffmütze brannten, und er litt auch unter den Verbrennungen am Arm, die der Verband und das Hemd teilweise verdeckten, aber schmerzhaft aufscheuerten. Und jeder einzelne Schmerz verwandelte sich in glühenden, reinsten Hass, der seine Seele erfüllte. Hass auf jene, die ihn erst betrogen und dann verurteilt hatten.
    Von Castello aus nahm Riccio die Fähre nach San Giorgio Maggiore und der Giudecca. Zu seiner Rechten lag Venedig, das immer noch von Kanonenschüssen, Musik, Gesängen und ununterscheidbarem, aber alles übertönendem Getöse widerhallte. So kam Angelo Riccio beim Läuten der Mezzana zum Kloster San Giacomo. Seine Erfahrung als Spion hatte ihn gelehrt, sich immer mehr als eine Gelegenheit zur Flucht offenzulassen. Und um zu fliehen, sich in Sicherheit zu bringen und sich zu rächen, brauchte er Geld. Die Kirche war offen, erfüllt von Rosenduft und Stimmen, die in diesem kühlen Halbdunkel des frühen Nachmittags den Rosenkranz beteten. Vor dem Altar, der dem heiligen Jakobus von Galizien geweiht war, breitete sich ein Teppich aus Rosen und Muscheln aus, Gläubige beteten kniend und dankten dem Schutzheiligen und Vorkämpfer im Krieg gegen die ungläubigen Muselmanen. Ein Mönch kniete vor ihnen und leitete das Rosenkranzgebet. Außer diesem Ordensmann und den Gläubigen war niemand in der Kirche.
    Dort stand der Beichtstuhl, zehn Schritt entfernt, halb versteckt hinter den Säulen. So inbrünstig beteten die Menschen, dass keiner den Blick von dem bärtigen Antlitz des heiligen Jakobus wandte, der mit erhobenem Schwert und Kreuzritterschild auf einem weißen Pferd ritt. Riccio schob den violetten Vorhang beiseite und betrat den Beichtstuhl. Der Geruch nach Leder und Holz war noch derselbe. Auch das Knarren der Bretter. Er bückte sich, suchte unter der Kniebank, tastete im Dunkel mit den Fingerspitzen nach dem Einsatzstück, fand es, zog, und das kleine Brett ließ sich leicht anheben. Er griff nach dem Lederbeutel, der so schwer wog, wie er immer gewogen hatte. Es mussten fünfzig Golddukaten sein. Auch die Pistole mit dem Lederhalfter und einen hölzernen Behälter nahm er heraus. Dann legte er das Brettchen an seinen Platz zurück und verließ den Beichtstuhl. Keiner bemerkte ihn. Jetzt hatte er genug Geld und Waffen, um die Rechnungen zu begleichen.

28
    Die Unterredung zwischen Andrea und dem Dogen zog sich nun schon weit über die vereinbarte Zeit hin, und mehrmals war der Großkanzler Ottobon an der Schwelle zur Saal dello Scudo erschienen, um die Ankunft neuer Gäste zu verkünden. Doch ob Botschafter, Prälaten, Bezirksvorsteher oder Statthalter von der Terraferma, die Antwort des Dogen war jedes Mal dieselbe: »Wenn sie Zeit haben, mögen sie warten, und Ihr entschuldigt mich bei Ihnen!«
    Dass Anna Tagliapietra von ihrem Onkel getötet worden war, dem Edelmann, der sich für sie verbürgt hatte, damit sie als Novizin in die Celestia eintreten konnte, war durch sein Testament und Geständnis ans Licht gekommen. Der Adelige hattees, bevor er sich für den Krieg eingeschifft hatte, Messer Catanio überlassen, dem Signor di Notte al Criminal, der die Ermittlungen in dem Mordfall leitete. Von Reue geplagt, gestand Tommaso Tagliapietra, ein Mann mit Aussicht auf eine vielversprechende politische Karriere, verheiratet und Vater zweier Kinder, in dem Schreiben alles: von der Beziehung zu seiner Nichte bis zum schrecklichen Ende durch seinen unbeherrschten Zorn, als Anna ihn, ihrer Schwangerschaft gewiss, aufgefordert hatte, zu seiner Verantwortung zu stehen.
    Tommaso, der mit dem Schwert in der Hand auf der Sultana gefallen war, schloss sein Geständnis mit der flehentlichen Bitte um Vergebung an Andrea Loredan, dem zweiten unschuldigen Opfer seiner ruchlosen Tat. Denn um jeden Verdacht von sich abzulenken, hatte er keine Skrupel gehabt, falsche Zeugen zu bezahlen, damit sie Andrea des Mordes bezichtigten.
    Zwar beseitige dieses Geständnis jeden entehrenden Schatten auf Andreas Ruf und schließe die traurige Geschichte der Novizin ab, fuhr Mocenigo fort, doch immer noch ungeklärt seien die anderen Todesfälle im

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