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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Feststellung«, sagte Andrea bestimmt. »Euer Sohn war zum Tatzeitpunkt noch ein Junge, und er hat sich freiwillig gestellt, darum hat er ein Recht auf Strafmilderung.«
    Bei diesen Worten schien Sofia wieder Mut zu fassen.
    »Hört mich an, Sofia«, Andrea zögerte. »Darf ich Euch Sofia nennen?«
    Sie sah ihn erstaunt an. »Natürlich. So heiße ich.«
    »Nun, Sofia, morgen ist mein Besuchstag in den Gefängnissen. Ich werde Gabriele treffen. Ich werde mit ihm und mit dem Avvocato Zon sprechen. Wir werden alles wieder ins Lot bringen.«
    »Bekomme ich meinen Sohn zurück?« Ihr Gesicht schien wieder Farbe anzunehmen.
    »Es wird eine Zeit brauchen, aber Ihr werdet ihn zurückbekommen, das verspreche ich.«
    Die junge Frau strahlte. Sie erhob sich mit einer anmutigen Bewegung, die ihrem Körper die Geschmeidigkeit einer Welle verlieh, murmelte: »Danke!«, und fiel Andrea um den Hals.
    Der blieb mit hängenden Armen stehen, unentschlossen, ob es nun unschicklich sei oder nicht, die Umarmung zu erwidern. Dann umarmte er sie. Ihre Taille war schmal, der Rücken verbreiterte sich wohlproportioniert bis zu den runden, starken Schultern. Andrea spürte den Druck ihrer Brüste und löste sich von ihr.
    »Nur Mut«, sagte er. »Ich bringe Euch nach Hause.«

17
    Einen Augenblick lang, vielleicht auch etwas länger, hatte Angelo Riccio die ganze Wucht der Angst gespürt. Es war geschehen, als der Sekretär Zuàne Formento, nachdem er ein paar Stufen der Treppe zu den oberen Stockwerken des Palazzo hinaufgestiegen war, anhielt, ihm eine enge Öffnung in der Mauer zeigte und sagte: »Bitte sehr, hier entlang.«
    Das Mönchlein, in ein leichtes Tuch gehüllt, fühlte die frische Nachtbrise auf der Haut, dann roch er den Geruch der Lagune, und als seine Augen sich an die pechschwarze Finsternis gewöhnt hatten, sah er eine Gondel, die vor- und zurückschaukelte.
    Genau in diesem Moment hatte er die Angst gespürt: Es war, als würden sich ihm die Eingeweide umdrehen, während in seinem Kopf unzählige Zikaden zu sirren begannen. Meine Stunde ist gekommen, hatte er gedacht, also darum durfte ich mich nicht ankleiden.
    Er hatte Formento angesehen, der ihm zulächelte und ihm mit einer halben Verbeugung und diesem charakteristischen Grinsen eines kranken Hundes den Weg wies. Über ihm blockierte ein mit einem Stock bewaffneter Wächter die Treppe. Hinter ihm einer der Oberaufseher der Pozzi, ein gewisser Zuàne Mori, Zaneto für seine Freunde, von den Gefangenen »Wildschwein« genannt, um die vierzig, rothaarig, mit kräftigem Torso, und so wortkarg, als wäre er stumm.
    Riccio hatte überlegt, dass er sich aus dem Fenster stürzen, mit einem Sprung über das Boot setzen und im Wasser verschwinden könnte. Ein Versuch lohnte sich allemal. Besser, als mit einem Sack voller Steine um den Leib zu ertrinken. Dieser Lutheraner, Francesco Spinola, war der nicht vor zwei Jahren so gestorben? Und Giovanni Sambeni da Brescia erst im letzten Jahr? Und Baldo Lupetino, Antonio Rizzetto, Giulio Gherlandi? Eine schwarze Gondel, ein letzter Segen und hinunter ins tiefeWasser. Angelos Angst hatte sich in blankes Entsetzen verwandelt, seine Knie waren weich geworden.
    Dann war ihm eingefallen: Warum? Warum sollten sie mich beseitigen, wenn ich ihnen noch nützlich sein kann? Einen Augenblick später hatte die Stimme des Sekretärs ihn in die Wirklichkeit zurückgeholt.
    »Angelo, genügt Euch die Kälte von heute noch nicht?«
    »Ich habe sehr darunter gelitten, ja«, antwortete der Frate.
    »Dann beeilt Euch. In der Gondel gibt es ein Kohlebecken, und Ihr werdet dort Kleidung und warmes Essen finden.« Der Sekretär hatte aufrichtig gewirkt. Angelo hatte ihm vertrauen wollen wie das Tier seinem Treiber, und darum saß er jetzt im Warmen, vom Gondelzelt geschützt, in eine saubere Kutte gehüllt, und aß dampfende Polenta.
    Das rhythmische Gurgeln des eintauchenden Ruders wurde vom Flüstern des Sekretärs der Zehn übertönt: »Wir haben alle Zeit der Welt, esst in Ruhe.« Formento saß auf einem gepolsterten Stuhl vor einem Tischchen voller Platten und Flaschen und naschte von einem Stiel Weintrauben. An drei Ketten schaukelte mitten im Zelt eine Öllaterne, während die glühenden Kohlen den Raum wärmten und das Licht rot färbten.
    »Nein, wir haben keine Zeit. Morgen beim Läuten der Non will ich zurück sein«, flüsterte Riccio. »Wie weit seid Ihr mit der Geheimschrift?«
    »Damit beschäftigt sich Milledonne.«
    Riccio hörte auf zu

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