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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Staub abzuschütteln. Das alles tat sie anscheinend in aller Seelenruhe, als säuberte sie ihre Kleidung vom Ruß aus dem Kamin bei sich zu Hause. Andrea, Zaccaria und die anderen Wachen beobachteten sie, ebenso die Richter der Quarantia, die Diener, die Schreiber und die Notare, die aus der Kanzlei herunterkamen.
    »Und? Was gibt’s da zu gucken?«, stieß Sofia hervor, einen nach dem anderen anblickend. Doch dann hielt sie vor Erstaunen wie versteinert inne, als Zaccaria und seine Soldaten sich plötzlich verbeugten. Unter dem Rascheln der Togen erfasste die Verbeugung gleich einer Welle nun alle Anwesenden, die Schreiber und Notare, um, leicht abgeschwächt, bei den Richtern zu enden. Nur Andrea war einen Schritt vor ihr starr stehen geblieben. In diesem Moment bemerkte Sofia, dass die Verbeugungen nicht in ihre Richtung zielten, sondern auf einen seitlichen und etwas höher gelegenen Punkt hinter ihr. Sie drehte sich um, und ihre Augen weiteten sich. Dort stand der Doge Pietro Loredan, keine drei Schritte von ihr entfernt auf der Schwelle zur Sala degli Scarlatti und sah sie an.
    »Heilige Jungfrau Maria«, flüsterte Sofia, auf die Knie fallend und den Kopf senkend. In dieser Position sah sie nur noch die Stiefelchen aus roter Seide unter dem Saum des Dogengewandes aus scharlachrotem, mit silbernen Blumen besticktem Samt und einen Teil des mit Zobelpelz gefütterten Umhangs. »Andrea«, hörte sie ihn sagen, dann hörte sie Andreas Schritte und sah aus dem Augenwinkel, wie er an ihr vorbeiging.
    »Vostra Serenità, mein Vater.« Andrea blieb vor ihm stehen und senkte den Kopf.
    Pietro Loredan kostete das intensive Gefühl aus, das dieses Wiedersehen mit seinem Sohn in ihm hervorrief, und gerne hätte er alle anderen von dem so lang erwarteten Moment ausgeschlossen. Die Umstehenden schienen den dringlichen Wunsch des Dogen zu ahnen, zumal sie von den familiären Zwistigkeiten wussten. Beginnend mit den Richtern der Quarantia Criminal, zogen sich alle in ihre Räume zurück. Sogar die Dogenwache wich nach einem Wink des Hauptmanns zurück bis zur Scala d’Oro und blieb dort in Bereitschaft stehen.
    Befreit von der Last der Palastetikette und erstarkt durch Andreas Gegenwart, doch außerstande, sofort ein Gespräch mit ihm zu beginnen, wandte der Doge seine Aufmerksamkeit derjungen Frau zu, die vor ihm kniete. »Unseren Erlöser sollt Ihr auf diese Weise verehren, liebe Tochter, nicht mich.«
    Bei dieser Ermahnung hob Sofia den Kopf. Ihr Blick folgte dem Pelzbesatz des Umhangs, hüpfte über die elf goldenen Knöpfe in Blumenform, die ihn schmückten, und erreichte das betagte Antlitz Loredans, das von dem Corno Ducale aus Brokat und der Haube aus weißer Wolle gekrönt wurde. Der Doge wartete, bis die Augen der Frau in den seinen zur Ruhe kamen, und sagte in wohlwollendem Ton: »Signora, ich bitte Euch aufzustehen.«
    Die Aufforderung schien sie zu beleben, und Sofia erhob sich.
    »Wart Ihr es also, die geschrien hat?« Der Doge lächelte leicht. Sofia zögerte, und weil ihr Mund vor Erregung verschlossen war, begnügte sie sich mit einem heftigen Nicken. Der Doge musterte sie, streckte eine Hand aus und berührte ihr Kinn mit den Fingerspitzen.
    »Wie heißt Ihr?«
    »Sofia Ruis.«
    »Sie hat einen Sohn verloren, Vater«, schaltete Andrea sich ein.
    »Man hat ihn getötet!«, brach es aus Sofia heraus. »Und ein anderer Sohn wurde mir genommen«, fügte sie hinzu, indem sie seinen Blick auffing.
    »Er wird von den Zehn verhört«, versuchte Andrea zu erklären.
    »Er ist unschuldig!«, schrie Sofia.
    »Ich klage ihn nicht an!«, erwiderte Andrea entschieden.
    »Gewährt mir Eure Hilfe, Principe Serenissimo «, flehte Sofia, die hellen, klaren Augen weit geöffnet. Innerlich zitterte sie.
    Der Doge hob die Augenbrauen, kniff die Lippen zusammen und wurde ernst. Er blickte erst Sofia, dann Andrea an, dann drehte er ihnen plötzlich den Rücken zu und ging auf die Sala degli Scarlatti zu. Sofia spürte ihren Körper zu Eis werden und biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien. Kopfschüttelnd blickte sie Andrea an, fassungslos und verzweifelt.
    »Nun?«
    Die Stimme des Dogen ließ sie zusammenzucken. Pietro Loredan hatte die Schwelle zur Sala degli Scarlatti überschritten und sah sie erwartungsvoll an. »Wolltet Ihr nicht meine Hilfe, Tochter? Dann kommt!«
    Sofias Gesicht hellte sich auf, und nach einem raschen Blick auf Andrea ging sie auf den Dogen zu.
    »Ich warte auf dich«, sagte Pietro Loredan, an

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