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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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wenige Schritte entfernt, Michele Membré.
    »Guten Tag, Signor Membré   …«
    »Ich habe auf Euch gewartet«, der Dolmetscher machte eine leichte Verbeugung, »ich muss mit Euch sprechen.«
    »Bitte entschuldigt, aber heute passt es nicht.«
    »Nur zwei Worte. Es ist dringend.«
    Andrea sah sich um, als suchte er einen Fluchtweg vor dieser unerwünschten Begegnung. »Sprecht«, sagte er schließlich knapp.
    »Es gibt einen Gefangenen, einen Türken, offenbar in die Explosion des Arsenale verwickelt, der mit Euch reden möchte. Er hat mich darum gebeten, er sagt, er habe von Euch gehört, Ihr sollt tüchtig und ehrlich sein.«
    »Wo ist er?«
    »In den unteren Pozzi.«
    »Bis zum Monatsende fallen die Gefängnisse des Palazzo unter die Zuständigkeit von Avvocato Zon, tut mir leid.« Andrea schickte sich zum Gehen an.
    »Avvocato Zon ist nie erschienen. Der Türke ist ein alterMann, es geht ihm nicht gut, er hat versucht, sich das Leben zu nehmen.«
    Andrea sah ihn bestürzt an. »Wie heißt er?«
    »Mehmet Hasan. Er sitzt in der Grabkammer. Man hat ihn auch gefoltert   …«
    Andrea schwieg einen Moment. »Gut, ich werde zu ihm gehen«, willigte er schließlich ein.
    Er wollte noch etwas hinzufügen, als plötzlich ferne Schreie in wechselnder Lautstärke wie von Windstößen getragen die Loggia erfüllten. Andrea wandte sich in alle Richtungen, um zu erkennen, woher sie kamen. Vom Südflügel kamen sie nicht, aber auch nicht aus dem Hof. Unter dem erstaunten Blick des Dolmetschers ging Andrea nach rechts, hinter die Stützmauer des Treppenhauses bis zur Treppe, die nach oben führte, und dort ertönten die Schreie deutlicher. Sie kamen von einer Frau. Andrea stürzte die Stufen hinauf, er schien zu fliegen. Er durchquerte einen langen, schmalen Saal mit Sitzbänken aus Lärchenholz, der früher zur Torresella, dem alten Gefängnis gehört hatte. Doch die Schreie waren verstummt.
    Vor sich hatte er die geschlossenen Flügel einer der beiden Türen zum Saal des Großen Rates, der Korridor rechts von ihm unterteilte sich in eine Flucht aus Mauern und Türen, die vorbei an der Repräsentationstreppe, Goldene Treppe genannt, durch die Sala degli Scarlatti und den Wappensaal mit den Landkarten bis zu den Gemächern des Dogen, seines Vaters, führte.
    Die Schreie wiederholten sich als Wehklagen. Sie kamen tatsächlich aus diesem Teil des Palazzo. Andrea zögerte. Seit Monaten hielt er sich von diesen Räumen fern. Dann wurden die Schreie vernehmlicher, und ein Hagel von Beschimpfungen ging dem Auftauchen von Sofia voraus. Zwei Wachen des Dogen, die er aus dieser Entfernung nicht erkannte, hielten die junge Frau unter den Achseln und schleiften sie mit sich wie ein erlegtes Reh.
    Der Anblick erzürnte Andrea, er ging auf die Gruppe zu.Hinter dem Terzett tauchten zwei weitere Wachen auf, während ein paar Männer in Toga, von dem Lärm angelockt, aus dem Saal der Quarantia kamen. »Was ist denn hier los?«, fragte jemand. Andrea achtete nicht darauf, sein Blick war auf Sofia gerichtet, die schimpfend um sich trat, während die Wachen sie mit Mühe festhielten. Jetzt erkannte Andrea Zaccaria, einen der Hauptmänner des Dogen und sein guter Freund. Er drückte mit finsterem Gesicht ein Taschentuch an seine Wange. Auf dem Absatz der Scala d’Oro trafen sie zusammen, begrüßten sich, und zum großen Erstaunen des Hauptmanns sprach Andrea die Frau an. »Signora Ruis!« Andrea heuchelte Verwunderung.
    Sofia, rücklings geschleift und halb am Boden liegend, warf den Kopf zurück und versuchte, sich zu erheben. »Zu viert gegen eine Frau!«, schrie sie.
    »Sieh nur, was sie mir angetan hat!« Der Hauptmann nahm das Taschentuch von seiner rechten Wange und zeigte vier tiefe Kratzer von der Schläfe bis zum Kinn. »Das Weib ist gefährlich!«
    »Zacco, um unserer Freundschaft willen bitte ich dich, sie mir zu übergeben«, sagte Andrea leise und senkte leicht den Kopf. Zaccaria, der diese Bitte am allerwenigsten erwartet hatte, musterte ihn verblüfft, warf einen raschen Blick auf seine Soldaten, sah Sofia an und verzog das Gesicht.
    »Lasst sie los«, befahl er seinen Männern. Die beiden Wachen, das Gehorchen gewöhnt, zogen Sofia sofort mit eingespielt synchronen Bewegungen vom Boden hoch und traten einen halben Schritt zur Seite, so dass sie Platz und Bewegungsfreiheit bekam.
    Sie schnaubte, rückte ihr Mieder zurecht und schlug mehrmals kräftig auf die Falten ihres weiten Rockes, um ihn wieder in Form zu bringen und den

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