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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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verwöhnen.
    »Bei einer Geburt können wir am allerwenigsten kleine Kinder brauchen, die uns zwischen den Füßen herumlaufen.«
    Kassandra dachte, das sei vermutlich richtig, aber sie überlegte doch, ob es sich bei Andromache um Gutmütigkeit handelte oder ob sie die Erinnerung an ihre eigenen Schmerzen scheute. Wie auch immer, die Kinder mußten beschäftigt werden, und Andromaches Gründe waren nicht weiter wichtig.
    Im Raum befanden sich ohnehin genug Frauen; die meisten waren eher Hindernisse, die man umgehen mußte, als eine Hilfe für eine Frau, deren Wehen vor kurzem eingesetzt hatten. Aber die Sitte verlangte, daß bei einer königlichen Geburt Zeugen anwesend waren. 
    Kassandra überlegte, ob diese Sitte auch bei den Achaiern herrschte, und nahm sich vor, Helena bei Gelegenheit danach zu fragen. Im Augenblick drängten sich jedoch viele Hebammen und Kammerfrauen um Helena, die darauf bestanden, ihr die Haare zu locken, ihr ein Gewand oder ein Schmuckstück zu zeigen, das sie vielleicht tragen wollte; Priesterinnen brachten Amulette oder intonierten Heilsprüche, und Köchinnen boten ihr zu essen und zu trinken an. Kassandra wäre es nicht ohne weiteres gelungen, in die Nähe des Bettes zu kommen, und sie beschloß zu warten, bis Helena sich nach ihr erkundigte.
    Kreusa hatte eine kleine Harfe mitgebracht. Sie saß in der Ecke und spielte leise eine getragene und beruhigende Melodie. Helena bemerkte nach einiger Zeit Kassandra und winkte sie zu sich. »Komm und setz dich zu mir, Schwester. Es ist wie ein Fest - und ich nehme an, für die meisten ist es das auch.«
    »Wie eine Hochzeit«, sagte Kassandra. »Für jeden ein großes Vergnügen, nur nicht für die, um die es eigentlich geht. Es fehlen nur noch ein paar Akrobatinnen und Tänzerinnen und jemand, der ein Kaninchen mit zwei Köpfen vorfuhrt, und ein Feuer- oder Schwertschlucker… «
    »Ich bin sicher, Hekabe würde mir auch das bieten, wenn ich es wollte«, erwiderte Helena und zog übertrieben komisch die Augenbrauen hoch. Kassandra stellte fest, daß Helena selbst in dieser schwierigen Lage bezaubernd aussah.
    »Zumindest Akrobatinnen und Tänzerinnen«, sagte Kassandra. »Priamos hat mehrere hier im Palast. Bei Kaninchen mit zwei Köpfen bin ich mir nicht so sicher.«
    »Schäm dich, Kassandra, unsere königliche Mutter würde so etwas nicht tun…, es wäre unter ihrer Würde, die Tänzerinnen und Flötenspielerinnen von Priamos zur Kenntnis zu nehmen«, rief Kreusa zwischen zwei Akkorden. Kassandra lachte.
    »Täusch dich nicht. Es gehört zu Hekabes Pflichten, darauf zu achten, daß jeder unter diesem Dach zu essen hat. Vermutlich weiß sie sehr genau, wie viele Oliven sie essen, welche von ihnen eine Vorliebe für Honig und Kuchen hat, und welche darauf achtet, nicht schwanger zu werden.«
    »Natürlich, wenn eine Akrobatin ein Kind bekommt, kann sie ein Jahr lang nicht arbeiten«, sagte Helena. »In Mykenai kamen immer zwei Mädchen, zwei Schwestern, um für mich zu tanzen.« Soweit Kassandra sich erinnerte, sprach Helena zum ersten Mal von ihrer Heimat. »Keine arbeitende Frau möchte mit einer Schwangerschaft und einer Geburt belastet sein. Das ist etwas für Damen mit Muße, wie wir es sind.«
    »Vielleicht arbeiten wir am schwersten«, seufzte Kassandra. »Meine Mutter hat siebzehn Kinder geboren und gestillt. «
    Helena erschauerte. »Ich bin bereits dreiundzwanzig und habe nur Hermione und Nikos. Ich habe Glück«, sagte sie - dann verzog sie das Gesicht und schwieg einen Augenblick überrascht.
    »Das war eine heftige«, flüsterte sie, »ich glaube, es wird nicht mehr lange dauern.« Sie sah sich im Gemach um.
    Kassandra fragte: »Möchtest du etwas?«
    Helena schüttelte den Kopf, aber sie wirkte traurig.  Sie ist allein , dachte Kassandra,  unter so vielen Frauen hat sie keine Freundin aus ihrer Heimat.
    »Wo ist die Herrin Aithra?« fragte sie.
    »Sie ist nach Kreta zurückgekehrt. Ich wollte nicht der Grund dafür sein, daß sie auch im Exil leben muß«, erklärte Helena und griff nach Kassandras Hand. Kassandra erwiderte den Druck.
    Helena bat beinahe flüsternd: »Bleibst du bei mir, Schwester? Ich kenne diese Frauen nicht - und ich traue keiner.«
    Kreusa schob mit der freien Hand einen Hocker neben das Bett. Kassandra setzte sich und ordnete das beschwerliche Gewand. Ihr fiel auf, daß Helena inzwischen blaß und erschöpft wirkte. Die Göttin überschattete sie jetzt nicht, und sie war nur eine kleine Frau, deren

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