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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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hellblonde Haare ihre Schönheit ausmachten. Die weichen, schimmernden Locken standen im krassen Gegensatz zu dem schweißbedeckten Gesicht. Ihre Augen wirkten müde und waren leicht gerötet. Kassandra blieb am Bett sitzen und hielt Helenas Hand. 
    Kreusa spielte leise, und die Musik schien zu helfen - wahrscheinlich würde Helena eine leichte Geburt haben. Kassandra hätte gerne darüber gesprochen, wollte aber keine Fragen stellen: Eine Geburt schien immer noch nichts mit ihr zu tun zu haben. Als die Strahlen der schrägen Nachmittagssonne in das Zimmer fielen, schickte Hekabe alle mit Ausnahme der beiden alten Hebammen, einer Dienerin und einer Priesterin mit vielen Amuletten, die sie um das Bett herum verteilte, hinaus und wollte auch Kassandra wegschicken.
    »Du bist eine Jungfrau, Kassandra, du hast hier nichts zu suchen. « Helena ließ Kassandras Hand nicht los.
    »Sie ist meine Freundin, Mutter. Und sie ist eine Priesterin. Und einer Priesterin ist kein Frauengemach versperrt.«
    »Hast du heilige Schlangen mitgebracht?« fragte Hekabe.
    »Nein, die Tempelschlangen sind beim Erdbeben alle gestorben«, erwiderte Kassandra.
    Die Priesterin steckte Helena gerade mit einem gemurmelten Spruch ein Amulett unter die Brust. Sie hob den Kopf und sagte beschwörend: »Sprich hier nicht von schlechten Vorzeichen. « 
    »Ich kann nicht einsehen, daß der Tod von Schlangen im Tempel des Apollon ein gutes oder schlechtes Vorzeichen für mein Kind sein soll«, sagte Helena. »Apollon ist nicht mein Gott, und ich habe mit IHM weder im Guten noch im Schlechten etwas zu tun.«
    Die Priesterin sah Kassandra an und machte ein Zeichen, um Unglück abzuwehren. Kassandra stimmte Helena zu. Sie war mit der Gewohnheit vertraut, in beinahe jedem beliebigen Ereignis ein gutes oder ein schlechtes Vorzeichen zu sehen. Sie hielt das aber für Unsinn.
    Die Priesterin erhitzte einen Topf Wasser über der Kohlepfanne, und im Raum verbreitete sich der Geruch von Heilkräutern, die sie in das sprudelnde Wasser warf. Kurz vor Sonnenuntergang gebar Helena einen kleinen, faltigen Sohn, den sie Bynomos nannte. Hekabe betrachtete das kleine zappelnde Wesen mit leichtem Stirnrunzeln.
    »Wie lange bist du schon bei uns, Helena? Er ist klein… Ich habe noch nie ein ausgetragenes Kind gesehen, das so klein gewesen wäre. Er wiegt nicht mehr als ein ausgenommenes Huhn. «
    »Ich war auch nicht größer«, erwiderte Kassandra, »du hast es mir oft genug erzählt. Wahrscheinlich ist er bei all den Aufregungen, den Unruhen - dem Überfall bei der Aussaat, dem Erdbeben - ein paar Tage oder Wochen früher auf die Welt gekommen. Aber ist das so wichtig? Er ist doch kräftig und gesund. «
    Helena verzog das Gesicht und flüsterte: »Sie möchte einfach sicher sein, daß er der Sohn von Paris ist. Ich mag ja leichtfertig sein, aber so leichtfertig bin ich auch nicht. Ich wußte, daß ich Paris’ Sohn im Leib trug, noch ehe wir aus Agamemnons Palast geflohen sind. Aber ich weiß nicht, wie ich ihr sagen soll, was sie wirklich wissen will, ohne sie noch mehr zu entsetzen.«
    Kassandra kicherte. Auf diese Frage wußte sie allerdings auch keine Antwort.
    Kreusa trat an das Bett und nahm das Neugeborene auf den Arm. »Ich glaube, er wird einmal seinem Vater ähnlich sehen«, sagte sie sehr taktvoll. »Neugeborene, die einmal dunkle Haare bekommen, haben dunklere Augen als Kinder, die einmal blond werden. « 
    Diese Bemerkung überraschte Kassandra; das hatte sie von ihrer Halbschwester nicht erwartet. Schon als Kind hatte Kreusa die Begabung besessen, eine schwierige Situation noch schwieriger zu machen; außerdem neigte sie zu hysterischen Anfällen, wenn man ihr nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte. Vielleicht war sie durch die Ehe mit Aeneas erwachsener geworden, als man für möglich gehalten hatte.
    Schritte näherten sich der Tür. Kassandra wußte, daß es ihr Bruder war, stand auf und öffnete Paris. Sie begrüßte ihn mit den Worten: »Bruder, du hast noch einen Sohn.«
    »Ich habe einen Sohn«, verbesserte Paris sie, »und wenn du etwas Schlechtes über sein Schicksal voraussagst, Kassandra, werde ich dich so verunstalten, daß alle vor dir davonlaufen wie vor der Medusa. «
    »Untersteh dich, ihr zu drohen«, rief Helena, »deine Schwester ist meine Freundin. «
    Kassandra nahm das neugeborene Kind auf den Arm und küßte es. Sie sagte: »Die Götter haben mir über die Zukunft dieses Kindes nichts geoffenbart. Der Kleine ist kräftig und

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