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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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aufnehmen?«
    »Wie soll ich das wissen?« gab Kassandra zögernd zur Antwort.
    »Nun ja, du bist eine Priesterin …«
    »Ich weiß nur, daß SIE keine Frau abweist, die zu IHR kommt«, sagte Kassandra. »Aber mir scheint, es ist dein Schicksal, zum Symbol der Zwietracht unter Männern zu werden, und niemand kann seinem Schicksal entfliehen.«
    »Es wäre vermutlich zu schön, um wahr zu sein, wenn ich zu der Göttin fliehen und in IHREM Schutz den Weg meines Schicksals ändern könnte«, murmelte Helena. »Aber woher weiß ich, daß ein Gott dieses Schicksal bestimmt hat? Wäre es nicht möglich, daß ich einfach zwischen zwei eigensinnige Männer geraten bin, denen die Götter gleichgültig sind?«
    »Ich glaube, das gehört zu den Fragen, auf die es keine sichere Antwort gibt«, erwiderte Kassandra. »Aber in diesem Fall spüre ich, daß irgendein Gott seine Hand im Spiel hat. Ich weiß, wie Paris dazu gebracht wurde, dich zu suchen.«
    »Dann glaubst du also, daß dieser Krieg zwischen Troia und meinem Volk von den Unsterblichen vorherbestimmt wurde? Warum? Ich meine, warum ich und nicht eine andere Frau?
    »Wenn ich das wüßte«, seufzte Kassandra, »wäre ich die begnadetste Seherin der Götter. Ich kann nur vermuten, daß die Göttin, die dir solche Schönheit geschenkt hat, ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt. «
    »Trotzdem frage ich: Warum ich und nicht eine andere Frau?« 
    »Stelle diese Frage«, sagte Kassandra, »und wenn du eine Antwort bekommst, laß sie mich wissen.«

10
    Kassandra träumte, die Götter seien sehr zornig auf die Stadt und kämpften am Himmel über Troia. Von ihren Speeren zuckten Blitze, und das Klirren ihrer großen Schwerter klang wie Donnerschläge. Sie erwachte mit einem dumpfen Schmerz in den Augen. Es regnete in Strömen.
    Überraschenderweise fehlte ihr Chryseis. Sie hatte sich sehr an die Gesellschaft des Mädchens gewöhnt, und sie dachte unfreiwillig immer wieder voll Furcht und Abscheu daran, was ihr im Lager der Achaier widerfahren sein mußte - die Männer hatten schließlich keine Frauen bei sich. Kassandra wußte zwar, daß einige Frauen aus der Stadt hinunter in das Lager schlichen, um sich zu verkaufen, aber das war sicher etwas anderes. Wenn sie allerdings Chryseis bemitleiden wollte, mußte sie sofort daran denken, daß Chryseis gar nichts anderes gewollt hatte; sie hatte schon die ganze Zeit die Fremden von der Mauer herunter mit den Augen geradezu verschlungen.
    Kassandra schob den Gedanken an das Mädchen beiseite, zog ihr Gewand über und ging hinaus, um die alte Priesterin und die Schlangen zu versorgen.

    Als sie den Raum erreichte, der der alten Frau und den Schlangen vorbehalten war, herrschte dort großes Durcheinander. Zwei oder drei Statuen waren umgestürzt und lagen zerbrochen am Boden. Sie entdeckte nirgends auch nur eine einzige Schlange. Sie rief - sie hatte zwar gehört, daß Schlangen taub seien und nichts hörten, aber sie bezweifelte es, und wenn sie rief, würde es nichts schaden - und aus dem angrenzenden Raum hörte sie die Stimme der alten Meliantha: »Bist du es, Kassandra, Tochter des Priamos?«
    Kassandra lief schnell in das dunkle Gemach, wo die alte Frau in ihrem Bett lag.
    »Was fehlt dir, Meliantha? Bist du krank?«
    »Nein«, erwiderte die alte Priesterin, »ich sterbe.« Im dämmrigen Licht sah Kassandra, daß ihr Gesicht noch eingefallener war und daß die halb geschlossenen Augen trübe und weißlich waren. »Du brauchst die Schlangen nicht zu rufen. Sie sind verschwunden - alle. Sie haben uns verlassen und sich in die Tiefe der Erde zurückgezogen. Die wenigen, die noch da sind, liegen tot in ihren Töpfen - sieh nach und überzeuge dich selbst.« Kassandra lief hinaus zu den Töpfen und fand darin die kalten und bewegungslosen Schlangen. Sie ging zu der alten Priesterin zurück und fragte, was geschehen war.
    »Hast du heute nacht nicht den Zorn des Erderschütterers gespürt? Nicht nur Töpfe sind zerbrochen, sondern auch alle meine Statuen.«
    »Nein, ich habe nichts gemerkt. Aber ich habe vom Zorn der Götter geträumt«, sagte Kassandra. »Zürnt uns die Schlangenmutter?« 
    »Nein«, erwiderte die alte Priesterin erregt. »SIE würde ihre Schlangen nicht bestrafen, um IHREN Zorn auf uns zu zeigen. Eher würde SIE uns töten, damit IHREN Schlangen kein Leid geschieht. Welcher Gott es auch getan haben mag, die Schlangenmutter war es ganz sicher nicht.«
    Die alte Frau war außer sich, und Kassandra versuchte, sie zu

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