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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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weiß«, erwiderte Helena, »dieser Kummer ist mir nicht neu. Meine zweite Tochter hat nicht lange gelebt. Sie war ein Jahr jünger als Hermione und zwei Jahre jünger als Nikos. Sie tat keinen einzigen Atemzug, und als Nikos kräftig und gesund zur Welt kam, so daß ich eine Königin für Sparta und einen Sohn für Menelaos hatte, der als Krieger erzogen werden konnte, habe ich mir geschworen, keine Kinder mehr zu bekommen. Aber nichts ist geschehen, wie ich es wollte.«
    »In der Welt der Sterblichen ist das selten der Fall«, sagte Kassandra. Paris hörte ihre letzten Worte und sagte mit einem wütenden Blick auf seine Schwester: »Du bist also gekommen, um dich an unserem Unglück zu weiden.«
    »Nein«, erwiderte sie traurig, »ich bin nur gekommen, um euch zu sagen, wie leid es mir tut.«
    »Wir brauchen dein Mitgefühl nicht, du Rabe, der nur Unglück bringt!« rief Paris zornig. »Schon deine Anwesenheit bedeutet noch mehr Unheil.«
    »Sei still, Paris! Schäm dich«, schimpfte Helena. »Hast du vergessen, daß sie uns vor Poseidons Zorn warnen wollte, und wie man es ihr gedankt hat?«
    Paris schwieg und starrte finster vor sich hin, aber Kassandra fand, er sei doch etwas beschämt. Nun ja, sie würde ohne sein Wohlwollen leben können; an Helenas Freundschaft lag ihr mehr.
    Die Kinder wurden mit allen Feierlichkeiten verbrannt, und die Asche wurde vergraben. Der Waffenstillstand dauerte noch zwei Tage, dann brach ihn ein troianischer Hauptmann. (Der Mann behauptete, ähnlich wie der Achaier vor ihm, einer der Götter habe ihn dazu verleitet, obwohl er sich weigerte zu sagen, welcher.) Er schoß einen Pfeil auf Menelaos ab und verwundete ihn schwer, traf ihn aber (leider, wie Priamos sagte) nicht tödlich. Wäre Menelaos tot gewesen, so erklärte der König, hätten die Achaier einen guten Vorwand gehabt, den Krieg zu beenden und nach Hause zu segeln. Kassandra war nicht so sicher. Die Götter schienen Troia allen Ernstes zerstören zu wollen, ganz wie sie es im Traum gesehen hatte. War es wirklich nur ein Traum gewesen?
    Nur die Frauen bekümmerte das Ende des Waffenstillstands. Kassandra zweifelte nicht daran, daß Hektor freudig in den Kampf zurückkehrte. Am nächsten Tag führte er auf seinem Streitwagen die troianischen Truppen an; er galoppierte vor der langen Reihe der Fußsoldaten auf und ab und feuerte die Männer an, während die Achaier sich zur Schlacht formierten. Wie üblich sahen die Frauen von der Mauer aus zu.
    »Hektor ist eindeutig der beste Wagenlenker«, sagte Andromache, und Kreusa lachte.
    »Du meinst, er hat den besten Wagenlenker«, erwiderte sie, »und ich glaube, zumindest darin kann Aeneas sich mit ihm messen. Wer ist Hektors Wagenlenker? Er fährt wie der Wind - oder wie ein Dämon. «
    »Troilos, Priamos’ jüngster Sohn«, erwiderte Andromache. »Er wollte am Kampf teilnehmen, aber Hektor hat darauf bestanden, den Jungen nicht aus den Augen zu lassen. Er macht sich Sorgen. Troilos ist erst zwölf und noch nicht kampferprobt.«
    »Glaubt Hektor wirklich, Troilos ist in seinem Streitwagen sicher? Mir scheint, in Hektors Nähe tobt der Kampf am heftigsten, und er wird bestimmt keine Möglichkeit haben, Troilos zu schützen«, sagte Kassandra. Aber Andromache erwiderte nur achselzuckend: »Frag mich nicht, was Hektor glaubt.«
    Natürlich , dachte Kassandra,  Troilos bedeutet ihr nichts .  Er ist nur der jüngste Bruder ihres Mannes. Sie würde um ihn trauern, aber nur so, wie sie um Helenas Kinder getrauert hat - aus reiner Familienpflicht.
    Helena war immer noch geschwächt und mitgenommen von ihrer Trauer. Sie hatte rote, verquollene Augen, und ihr Haar wirkte stumpf. Sie machte sich kaum die Mühe, die Strähnen aus dem Gesicht zu streichen und schon gar nicht, es mit Öl auszubürsten oder zu frisieren. Sie trug ein altes, zerknittertes Gewand, und man konnte in ihr unmöglich die strahlende Schönheit sehen, die sie gewesen war, als die Göttin der Liebe sie überschattet hatte. Aber Kassandra erinnerte sich mit Zärtlichkeit daran, die sie immer für ihre Schwägerin empfand. Sie fragte sich insgeheim:  Ist das ein Zeichen dafür, daß Paris sie vernachlässigt? Sind ihm seine Kinder wirklich so gleichgültig?  Kassandra ahnte, daß Helena dankbar war, weil ihr Erstgeborener das Erdbeben überlebt hatte. Aber sie spürte auch, daß Paris’ Kinder Helena mehr am Herzen lagen als der Sohn, den sie dem Menelaos geboren hatte.
    Sie blickte wieder auf das Schlachtfeld

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