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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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nur wollen die Menschen die Wahrheit nicht hören?
    Kassandra ging langsam durch den Tempel. Immerhin hatten die Priester und Priesterinnen auf sie gehört. Alle schienen das Erdbeben überlebt zu haben, und die wenigen Brände waren bald gelöscht. Im Palast konnte sie nicht helfen. 
    Sie ging zu den Kindern zurück. Das Erdbeben hatte sie sicher in Angst und Schrecken versetzt, und sie würden Kassandra brauchen.

3
    Man begann mit dem Wiederaufbau des Tempels beinahe sofort. Viele Gebäude waren völlig zerstört, so daß Kassandra glaubte, es bedürfe der legendären Kraft der Titanen, um sie wieder aufzubauen. Viele der großen Steinquader konnten mit den zur Verfügung stehenden Arbeitskräften nicht wieder an Ort und Stelle gebracht werden. Zu viele der starken und gesunden Männer der Stadt kämpften unter Hektors Führung gegen die Achaier.
    Dank Kassandras Warnung war im Apollontempel niemand umgekommen. Ein paar Priester hatten sich verletzt - gebrochene Beine, gezerrte Schultern, geprellte Fußknöchel -, sie waren über Steine gefallen, die plötzlich an unvermuteten Stellen lagen; viele hatten bei den Löscharbeiten Brandwunden erlitten. Ein oder zwei Schlangen waren in dem Durcheinander entflohen oder hatten Schutz unter den herabgestürzten Wänden gesucht, und man hatte sie noch nicht wieder gefunden. Eine der ältesten Priesterinnen hatte vor Angst den Verstand verloren und seit dem Erdbeben kein vernünftiges Wort mehr gesprochen. Man behandelte sie mit Kräutertränken und spielte ihr beruhigende Musik vor. Aber selbst die erfahrensten Heiler glaubten nicht, daß sie je wieder völlig gesund werden würde.
    Alles in allem war der Apollontempel vergleichsweise gut davongekommen. Es wurde berichtet, im Tempel der Jungfrau seien Priesterinnen umgekommen, weil das Dach über ihnen einstürzte. Niemand wußte genau, wie viele Opfer es waren, und Kassandra machte sich schreckliche Sorgen um ihre Schwester Polyxena, hatte aber keine Zeit, sich nach ihr zu erkundigen. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß man sie benachrichtigt hätte, wenn Polyxena tot gewesen wäre.
    Wie immer waren die Viertel der Ärmsten mit ihren leichten Holzhäusern und nicht richtig geschützten Feuerstellen am schlimmsten betroffen. Hätte das Beben ein paar Stunden früher eingesetzt, wäre die Zerstörung noch schlimmer gewesen. Zu dieser späten Stunde waren die meisten Feuer, auf denen die Abendmahlzeiten gekocht worden waren, bereits erloschen.
    Trotzdem lagen in den Straßen erschreckend viele Tote. Nur die Leichen in den brennenden Häusern waren wie auf Scheiterhaufen verbrannt. Einige Opfer lagen immer noch unter den Trümmern, die man wegräumen mußte, um sie zu bergen, da die Geister unbestatteter Toter einer Stadt nur allzu oft aus Rache die Pest schickten. Die Priester des Apollon arbeiteten Tag und Nacht, aber es würde noch lange dauern, und alle Troianer fürchteten den Zorn der vielen unbestatteten Leichen.
    Auch der Palast des Priamos hatte das Erdbeben nicht unbeschadet überstanden. Die Gebäude waren aus den Steinen der Titanen errichtet und hatten selbst Poseidons Zorn widerstanden. Aber ein Gemach war zerstört worden - dort hatten die drei Söhne von Paris und Helena geschlafen. Fast alle aus der Familie des Priamos, darunter auch Paris und Helena, waren unverletzt geblieben.
    Der kleine Nikos, Helenas Sohn von Menelaos, hatte sich mit seinem Spielgefährten Astyanax vor den Kinderfrauen versteckt. Die beiden Kinder hatten in einem Hof im Freien geschlafen (was ihnen verboten worden war) und waren unverletzt geblieben; sie wurden auch nicht bestraft. Trotzdem trauerte man im Palast um Paris’ Söhne. Der Waffenstillstand wurde wegen der Zeremonien und des Begräbnisses der Kinder verlängert. Kassandra ging hinunter zu den Trauernden, die sich in den Gemächern der Frauen versammelt hatten. Da die Knaben noch nicht sieben gewesen waren, nahmen die Krieger offiziell keine Notiz von ihrem Tod, denn kleine Kinder standen in der Obhut der Frauen. Paris war anwesend und versuchte, Helena zu trösten. Sie wirkte blaß und mitgenommen. Nikos war erst vor wenigen Tagen der Obhut seines Stiefvaters übergeben worden. Aber auch er war da, als wollte er seine Mutter daran erinnern, daß sie noch einen Sohn hatte.
    Helena kam sofort zu Kassandra und umarmte sie. »Du hast versucht, mich zu warnen, Schwester, und ich bin dir dankbar.«
    »Es tut mir so leid«, sagte Kassandra. »Ich wünschte nur …«
    »Ich

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