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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ein Tuch damit befeuchten, und es ihm heiß um die Hände wickeln. Es wird ihn vermutlich nicht heilen, aber seine Schmerzen lindern.«
    Hekabe blickte zu Biene, die hinter Kassandra auf der Mauer saß und mit ein paar kleinen Steinen spielte. Kassandra erinnerte sich, daß sie als Kind ein ähnliches Spiel gekannt hatte. Sie und ihre Schwestern, die Töchter der königlichen Familie, suchten überall nach runden kleinen Steinen und legten sie in Mauernischen, als seien es Brotlaibe, die gebacken werden sollten. Sie wurden ständig überprüft, um festzustellen, ob sie fertig waren. Kassandra lächelte bei dieser Erinnerung.
    Die Streitwagen befanden sich inzwischen wieder alle hinter der Mauer, und das Tor wurde geschlossen. 
    Hekabe fragte: »Kommst du heute zum Abendessen in den Palast …obwohl du im Tempel bestimmt etwas Besseres bekommst …«
    »Ich glaube, heute ist es nicht möglich«, sagte Kassandra, »aber vielen Dank. Ich schicke einen Diener mit den Kräutern und hoffe, sie werden Vater helfen. Wir brauchen ihn in dieser schweren Zeit. Hektor ist noch nicht in der Lage, Troia zu regieren, selbst wenn er seinen Vater überleben sollte.« Kassandra brach ab, aber Hekabe hatte verstanden und starrte sie erschrocken an.
    Sie schwieg, und Kassandra wußte, was sie dachte.
    Sie glaubt also, Hektor wird möglicherweise vor seinem Vater sterben, so alt und krank Priamos auch ist. Was hat sie sonst noch gesehen?
    Die Männer hatten ihre Streitwagen verlassen. Hektor und Paris kamen mit ihren Frauen nach oben. Aeneas ging zu Kreusa. Kassandra rief Biene zu sich, und da sie an diesem Abend nicht im Palast bleiben wollte, war es Zeit, sich zu verabschieden.
    Kreusa sagte: »Ich begleite dich zum Tempel, Schwester.«
    »Ich würde mich über deine Gesellschaft freuen. Aber die Sonne steht noch hoch am Himmel, ich brauche keinen Schutz«, erwiderte Kassandra. »Der lange Weg hinauf wird dich ermüden.«
    »Ich begleite dich«, sagte Kreusa unbeirrt.
    »Also gut. Wie gesagt, ich freue mich über deine Gesellschaft«, erwiderte Kassandra. Kreusa übergab ihre kleine Tochter einer Dienerin und befahl der Frau, sie in den Palast zu bringen und ihr und der kleinen Kassandra etwas zu essen zu geben, falls Kreusa nicht rechtzeitig zurück sei. Dann kam sie zu Kassandra zurück, die gerade Biene zum Schutz vor der Sonne einen breitkrempigen Hut aufsetzte und festband.
    »Für ihr Alter ist sie groß«, sagte Kreusa. »Wie alt ist Biene inzwischen? Wann ist sie eigentlich geboren?«
    »Mutter hat dir doch sicher gesagt, daß ich es nicht genau weiß«, erwiderte Kassandra. »Aber sie kann höchstens ein paar Tage alt gewesen sein, als ich sie fand, und ich habe Kolchis am Anfang des letzten Winters verlassen.«
    »Also vor fast einem Jahr. Dann muß sie beinahe so alt sein wie die kleine Kassandra«, sagte Kreusa. »Dabei ist sie viel größer und kräftiger. Biene läuft bereits wie ein großes Mädchen an deiner Seite, während meine Kassandra noch krabbelt.«
    »Wer von Kindern etwas versteht, sagt, daß ein Kind dann sprechen und laufen lernt, wenn die Zeit dafür gekommen ist - das eine früher, das andere später«, erwiderte Kassandra. »Mutter erzählt, daß ich früh laufen und sprechen gelernt habe, und ich erinnere mich an Dinge, die sich in meinem zweiten Sommer ereignet haben müssen.«
    »Das stimmt«, sagte Kreusa. »Astyanax konnte als Zweijähriger noch nicht laufen oder sprechen. Ich weiß noch, daß Andromache sich allmählich fragte, ob dem Kleinen etwas fehle.«
    »Das muß sie sehr beunruhigt haben.« Kassandra nickte und fragte sich verwirrt, ob Kreusa sie auf diesem langen Weg nur begleite, weil sie mit ihr über die Entwicklung von Säuglingen und kleinen Kindern sprechen wollte, obwohl es im Palast viele Kinderfrauen gab, die ihr jederzeit Auskunft geben würden.
    Was immer der Grund war, es fiel Kreusa sichtlich schwer, darüber zu sprechen. Kassandra überlegte gerade, ob Kreusa irgendwie erfahren habe, was sie zu Aeneas gesagt hatte (aber wie? Durch einen verräterischen Diener? Kassandra hätte schwören können, daß niemand sie belauscht hatte), und empfand unbestimmte Schuldgefühle, als Kreusa schließlich sagte: »Du bist eine Priesterin, und man sagt, du seist eine Seherin. Du hast uns doch vor dem großen Erdbeben gewarnt, nicht wahr?«
    »Ich dachte immer, du seist dabeigewesen, als ich es getan habe«, erwiderte Kassandra.
    »Nein, Aeneas hat mich gebeten, in dieser Nacht nicht unter

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