Die Feuer von Troia
keine Rüstung anlegen, denn ich beteilige mich beim Ringen und bei den Boxkämpfen«, sagte er. »Ich werde jeden Herausforderer annehmen, nur nicht Achilleus. Ich habe geträumt … «
»Haben die Götter dir einen Traum geschickt, der Glück verheißt?«
»Ich weiß nicht, ob er Glück oder Unglück verheißt«, sagte Aeneas. »Mein Glück habe ich bereits gefunden.« Er neigte sich über Kassandra und küßte sie. »Versprich mir, du wirst es nicht bedauern, Geliebte.«
»Nein«, erwiderte sie. Nichts zählte mehr. Sie hatte so viele Jahre darauf gewartet, sich hinzugeben; sie hatte sich sogar, wie sie glaubte, dem Sonnengott verweigert. Und nun mitten im Krieg, im Schatten des Todes hatte sie schließlich die Liebe gefunden und wußte, sie konnte nicht von Dauer sein. Bienchen wurde auf ihrem Lager am anderen Ende des Raums unruhig und schrie wie bei einem Alptraum auf. Kassandra lief rasch hinüber, um sie zu beruhigen. Sie redete leise und liebevoll auf das Kind ein und wiegte es. Biene schlug die Augen auf, und ihr Blick fiel auf den Unbekannten. Kassandra war plötzlich unbestimmt froh darüber, daß das kleine Mädchen noch nicht alt genug war, um Neugier oder Überraschung zu äußern.
Als sie wieder bei Aeneas stand, dachte sie an all die anderen Frauen in Troia, die seit vielen Jahren jeden Morgen ihren Männern halfen, die Rüstung anzulegen, und sie dann in den Kampf hinausschickten - oder in den Tod , und zum ersten Mal teilte sie die Ängste und Sorgen dieser Frauen.
Noch hatten sie das Horn nicht gehört, das im Morgengrauen die Männer zum Sammelplatz rief. Vielleicht würde es an diesem Morgen überhaupt nicht ertönen. Nur wer sich an den Wettkämpfen zu Ehren von Patroklos beteiligen wollte, mußte aufstehen, obwohl man natürlich Wachen aufgestellt hatte für den Fall, daß die Achaier versuchen würden, den Waffenstillstand zu brechen.
»Küß mich, Geliebte, ich muß gehen«, sagte Aeneas und drückte sie fest an sich. Aber sie widersprach: »Noch nicht. Ich hole zuerst Brot und einen Schluck Wein. «
»Ich frühstücke mit meinen Soldaten, Liebste. Mach dir keine Sorgen.« Er zögerte und legte seine Wange an ihre. »Darf ich heute abend wiederkommen?«
Kassandra wußte nicht, was sie darauf antworten sollte, und er deutete ihr Schweigen falsch. »Natürlich, ich hätte nicht … deine Brüder sind meine Freunde, ich bin der Gast deines Vaters… «
»Was meinen Vater und meine Brüder angeht, so gibt es in ganz Troia keinen Mann, dem ich Rechenschaft schuldig bin«, entgegnete Kassandra entschlossen. »Und deine Frau, meine Schwester, hat beim Abschied zu mir gesagt, daß sie dir nichts mißgönnt, was dich glücklich macht.«
»Das hat Kreusa gesagt? Ich frage mich… ich bin ihr dafür dankbar. Ich hätte dir das auch sagen können. Aber es ist besser, daß du es aus ihrem Mund gehört hast.« Er drückte sie leidenschaftlich an sich. »lch darf doch kommen«, bat er, »vielleicht bleibt uns nicht viel Zeit… und wer weiß, was uns noch erwartet. Aber während des Waffenstillstands…«
Aeneas strich ihr über das Haar. »Mit Aphrodite bin ich nun versöhnt, denn ich glaube, SIE hat mich zu dir geführt. Ich werde IHR sobald wie möglich eine Taube opfern.«
Im Apollontempel gab es genug Tauben. Aber Kassandra zögerte, ihm vorzuschlagen, hier eine zu kaufen. Aeneas hatte gewissermaßen etwas gestohlen, was Apollon gehörte - obwohl sie nicht verstand und nie verstanden hatte, weshalb es einem anderen als ihr selbst gehört haben sollte. Sie ermahnte sich energisch, nicht töricht zu sein. Ganz sicher war sie nicht die erste Jungfrau des Sonnengottes, die mit einem Mann das Bett geteilt hatte, und wohl auch kaum die letzte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, küßte ihn und sagte: »Dann bis heute abend, Geliebter.«
Sie brachte Aeneas zu der Lücke in der Mauer und sah ihm nach, wie er die Straße hinunter in die Stadt lief. Es war noch nicht richtig hell; die Wolken jagten über die Ebene vor Troia. Es war kaum jemand unterwegs.
Kassandra fühlte sich müde. Sie sollte sich wieder hinlegen. Aber sie überlegte, wie viele Frauen ihre Ehemänner oder Liebhaber gerade zum Sammelplatz geschickt hatten - oder an diesem Tag zum Scheinkampf der Wettspiele - und ruhig weiterschliefen. In ihrem Zimmer sah sie, daß Biene noch nicht wach war. Sie wollte nicht wieder hinaus, um die aufgehende Sonne zu begrüßen, denn sie wußte, dabei würde sie Khryse begegnen. Er
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