Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
bin ich nicht die erste, die auf diesem Weg ihren Geliebten in den Tempel bringt.
    So etwas hätte sie von Chryseis erwartet. Sie wollte sich nicht mit dieser läufigen Hündin vergleichen, aber Kassandra mußte sich eingestehen, sie war nicht besser. Sie reichte Aeneas die Hand, um ihn beim Sprung auf den Boden zu stützen, und sie mußte schlucken…  Wie oft habe ich Chryseis ausgeschimpft, weil sie sich von den Männern verführen ließ.
    Aber wenn Kreusa nichts dagegen hat - und wenn Apollon es nicht verhindert -, dann gibt es niemanden, keinen Mann, keine Frau und keinen Gott, den ich beleidige , redete sie sich entschlossen ein.
    Sie führte Aeneas im Schatten der Mauer weiter, ging mit ihm aber nicht durch die Tür des Schlafhauses der Priesterinnen und durch den Gang zu ihrem Zimmer, sondern zu ihrem Fenster. Sie kletterten hinein.
    Im Raum war es dunkel und still; nur ein Binsenlicht brannte in einer Schale - man sah gerade das Bett und die Pritsche, auf der Biene üblicherweise schlief. Als Kassandra sich dem Bett näherte, sah sie den dunklen Kopf des kleinen Mädchens auf dem Kissen, und als sie sich über Biene beugte, um sie hochzuheben, hob sich etwas Längliches, Ovales mit zwei dunklen Augen. Sie bemerkte, wie Aeneas zurückwich, und flüsterte: »Sie tut dir nichts. Sie ist nicht giftig. «
    Aeneas erwiderte leise: »Ich weiß. Meine Mutter war eine Priesterin der Aphrodite, und in ihrem Bett gab es nicht nur Schlangen. Dieses Tierchen macht mir keine Angst. «
    »Ich kann sie ins Kinderbett legen«, sagte Kassandra, nahm Biene auf den Arm und legte sie auf die Pritsche. Biene wimmerte leise; Kassandra setzte sich zu ihr, streichelte sie und sprach beruhigend auf sie ein, bis sie wieder eingeschlafen war.
    »Ich habe nichts gegen Schlangen«, sagte Aeneas, »aber ich bin für sie ein Fremder. Vielleicht wird sie bei der Kleinen eine ruhigere Nacht verbringen. «
    Kassandra spürte, wie ihr vor Verlegenheit das Blut in die Wangen stieg, als sie die Schlange nahm und zu Biene trug. Das Tier rollte sich sofort an Bienes Seite zusammen. Kassandra nahm Aeneas den Umhang ab und legte ihn zusammen.
    »Ich habe schon gehört, daß deine Mutter eine Priesterin der Aphrodite war. «
    Aeneas sagte: »Als Kind hat man mir erzählt, meine Mutter sei Aphrodite selbst. Später wußte ich, wer die Priesterin war, und lernte sie auch als Mutter kennen. Es überrascht mich nicht, daß sie meinem Vater wie die Göttin vorkam. Sie war sehr, sehr schön. Ich glaube, Aphrodite wählt IHRE Priesterinnen auf Grund ihrer Schönheit.«
    »Und da sie der Göttin dienen«, sagte Kassandra, »schenkt SIE ihnen ganz bestimmt IHRE Schönheit.«
    »Ganz so kann es nicht sein«, erwiderte Aeneas, »denn sonst hätte SIE dich schon vor langer Zeit in IHREN Dienst gerufen.«
    Kassandra lief ein Schauer über den Rücken.  Lockt man mich durch eine List in den Dienst der Göttin, die Männer und Frauen dazu bringt, unrechter fleischlicher Liebe zu huldigen? Versucht diese verhaßte Göttin nun, mich in die Hand zu bekommen, damit ich den Schwur breche, den ich Apollon geleistet habe?
    Kassandra hatte bereits gesehen, wie Aphrodite das Leben von Menschen zerstörte, die IHR dienten. Aeneas war IHR Sohn. Diente er IHR auch?
    Sie konnte ihm diese Frage nicht stellen. Er saß auf dem Rand ihres schmalen Bettes und band die Sandalen auf. Sie trat zu ihm, er griff nach ihr und zog die Nadel aus ihrem Haar, das über ihr Gesicht fiel und über alle ihre Fragen. Es war nichts mehr wichtig. Alle Göttinnen, welche Namen E auch trugen, waren eins, und sie sollte IHNEN dienen, wie jede Frau der EINEN diente.
    Sie löschte das Binsenlicht. Der Raum sank in tiefes Dunkel, und sie hörte ihn leise lachen. In weiter weiter Ferne glaubte sie, außer dem Lachen einen leisen Donner zu hören, dann einen plötzlichen Windstoß und dann den prasselnden Regen auf dem Dach.  Strahlende Aphrodite, wenn ich wie alle Frauen DIR dienen muß, nachdem ich DIR so viele Jahre den Dienst verweigert habe, schenke mir einige DEINER Gaben,  dachte sie. Sie entdeckte einen Lichtschein um sich - oder war es nur ein aufzuckender Blitz -, als Aeneas sie in die Arme nahm.
    Im Morgengrauen erhob sich Kassandra leise vom Bett und setzte sich ans Fenster. Sie dachte noch einmal an all das Wundervolle der Nacht. Der Wind würde bald den silbrigen Dunst über der Stadt vertreiben. Er pfiff bereits laut um die hohen Mauern des Tempels. Aeneas trat zu ihr.
    »Heute muß ich

Weitere Kostenlose Bücher