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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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bedeckte kaum die Oberschenkel, und sie zitterte vor Mitgefühl, wenn er frierend versuchte, sich in den zu kurzen Mantel zu hüllen. Er lag inmitten seiner Herde am Berghang. Einmal sah sie ihn bei einem Fest. Er gehörte zu einer Gruppe von Jungen, die mit Girlanden bekränzt waren und tanzten. Ein anderes Mal saß sie mit ihm an einem lodernden Feuer. Er erhielt einen neuen, warmen Mantel, und seine langen Haare wurden abgeschnitten, weil sie dem Sonnengott geopfert werden sollten. Stand auch er unter Apollons Schutz?
    Im Frühjahr befand er sich einmal schweigend in einer Schar Jungen und beobachtete eine Gruppe kleiner Mädchen - die meisten waren allerdings ebenso groß wie er oder sogar größer. Sie trugen Bärenfelle und tanzten der jungfräulichen Göttin zu Ehren einen rituellen Tanz.
    Kassandra dachte nur noch selten an ihr Leben im Palast. Es war zu einer unbestimmten Erinnerung an eine Zeit geworden, in der sie ans Haus gefesselt gewesen war, das sie nur verstohlen verlassen durfte. Eigenartige Empfindungen überfielen sie. Der grob gewebte Stoff ihrer Wolltunika rieb ihr die Brustwarzen wund, und sie bat eine der Frauen um ein Untergewand aus weicher Baumwolle. Es half, genügte aber nicht. Die Brüste waren die meiste Zeit wund gescheuert.
    Die Tage wurden kürzer, und ein blasser Wintermond stand am Himmel. Die Herden kreisten bei ihrer Suche nach Futter ziellos über das Land. Dann gaben die Stuten fast alle keine Milch mehr; die hungrigen Tiere zogen ruhelos von einer abgeweideten Stelle zur nächsten.
    Das Fehlen der Stutenmilch - ein Grundnahrungsmittel der Amazonen - bedeutete, daß es noch weniger zu essen gab. Die wenige Milch bekamen die Schwangeren und die ganz kleinen Kinder. Tag um Tag kannte Kassandra nichts anderes als beißenden Hunger. Die ihr zugeteilte Portion bewahrte sie bis zum Schlafengehen, damit sie nicht aufwachte und von den Herden im Palast des Priamos träumte und vom warmen, duftenden Geruch der backenden Brote. Während sie auf den Weiden die Pferde hütete, suchte sie unermüdlich nach getrockneten Früchten oder verdorrten Beeren an abgestorbenen Ranken; wie die anderen Mädchen aß sie alles, was sie finden konnte, und nahm auch in Kauf, daß ihr von der Hälfte dieser eßbaren Dinge übel wurde.
    »Hier können wir nicht bleiben«, sagten die Frauen. »Worauf wartet die Königin?«
    »Auf ein Wort der Göttin«, sagten einige. Die älteren Frauen des Stammes gingen zu Penthesilea und forderten, daß sie zu den Winterweiden zogen.
    »Ja«, sagte die Königin, »wir hätten bereits vor einem Mond reiten sollen. Aber im Land herrscht Krieg. Wenn wir mit dem ganzen Stamm und allen Kindern und alten Frauen unterwegs sind, werden wir gefangengenommen und versklavt. Wollt ihr das?«
    »Nein, nein«, riefen die Frauen. »Wir wollen unter deiner Führung als freie Menschen leben, und wenn es sein muß, als freie Menschen sterben.«
    Trotzdem versprach Penthesilea, beim nächsten Vollmond den Rat der Göttin zu suchen, um Ihren Willen zu erfahren.
    Kassandra sah nach einem heftigen Regen einmal ihr Gesicht im Wasser und erkannte sich kaum: Sie war groß und hager, die unbarmherzige Sonne hatte ihr Gesicht und Hände braun gebrannt. Bei dem hageren, kantigen Gesicht dachte man eher, eine Frau vor sich zu haben - vielleicht auch einen jungen Mann, aber kaum ein junges Mädchen. Sie entdeckte auch Sommersprossen in ihrem Gesicht und fragte sich, ob ihre Familie sie erkennen würde, wenn sie plötzlich und unerwartet vor ihnen stand. Oder würden sie fragen: »Wer ist diese Frau von den wilden Stämmen? Schafft sie weg!« Würde man sie vielleicht sogar für ihren verbannten Zwillingsbruder halten?
    Trotz der Härten wollte sie nicht nach Troia zurückkehren. Sie vermißte manchmal ihre Mutter, nicht aber das Leben in den Mauern der Stadt.
    Eines Abends kehrten die Mädchen bei Sonnenuntergang in das Lager zurück, um sich trockene Kleider anzuziehen und ihren Anteil der Nahrung in Empfang zu nehmen, die man fand - meist bittere gekochte Wurzeln oder ein paar harte wilde Bohnen. Man sagte ihnen, sie sollten nicht wieder losreiten, sondern bleiben und sich mit den Frauen in dem großen Gemeinschaftszelt versammeln. Man hatte alle Feuer bis auf eines gelöscht, und es war dunkel und kalt.
    Es gab nicht einen einzigen Bissen zu essen, und Elaria erklärte ihrem Schützling, die Königin habe angeordnet, daß alle fasten müßten, ehe man sich an die Göttin wenden dürfe.
    »Das ist

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