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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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noch widerlich.
    »Ich habe ihr gesagt, daß die Stadtfrauen in den Häusern eingeschlossen werden, weil sie sich wie die Ziegen paaren«, sagte sie höhnisch. »Und wenn es nicht wahr wäre, warum hätte sie dann angefangen, mit mir zu kämpfen?«
    Kassandra erwiderte zornig: »Meine Mutter ist nicht so. Befiehl ihr, das zurückzunehmen.«
    Penthesilea beugte sich zu ihr und fragte leise: »Ändert sich deine Mutter dadurch, daß Stern lügt oder die Wahrheit spricht?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber wenn sie das behauptet…«
    »Wenn sie das behauptet, fürchtest du, jemand könnte es hören und glauben?« fragte Penthesilea und zog eine zart geschwungene Braue hoch. »Warum willst du ihr soviel Macht über dich einräumen, Kassandra?«
    Kassandra ließ schweigend den Kopf hängen, und Penthesilea sah Stern mit gerunzelter Stirn an. »Behandelst du so eine Verwandte, einen Gast unseres Stammes, kleine Schwester?«
    Sie beugte sich vom Pferd nach unten und berührte Sterns zerkratzte und blutende Wange mit dem Finger. »Ich werde dich nicht bestrafen, denn du bist bereits bestraft. Kassandra hat sich gut verteidigt. Sei das nächste Mal höflicher zu einem Gast unseres Stammes. Das Wohlwollen der Gemahlin des Priamos ist uns wichtig.« Sie drehte Stern den Rücken zu und drückte Kassandra fest an sich. Kassandra hörte das Lachen in ihrer Stimme: »Bist du alt genug, um allein zu reiten, ohne in Schwierigkeiten zu geraten, oder muß ich dich wie einen Säugling tragen.«
    »Ich kann allein reiten«, erwiderte Kassandra mürrisch, obwohl sie Penthesilea dankbar war, weil sie sie verteidigt hatte.
    »Dann werde ich dich wieder auf dein Pferd setzen«, erklärte die Amazonenkönigin, und Kassandra spürte froh wieder Südwinds breiten Rücken unter sich. Stern fing ihren Blick auf, verzog leicht das Gesicht, und Kassandra wußte, es war alles wieder gut. Penthesilea setzte sich an die Spitze des Zugs, und sie ritten weiter. Ein kalter Nieselregen setzte ein, und allmählich wurde alles naß. Kassandra zog sich das gestreifte Wollkleid über den Kopf, aber ihre Haare blieben feucht und klebten. Sie ritten den ganzen Tag und noch lange nach Einbruch der Dunkelheit. Kassandra fragte sich, wann sie wohl die neuen Weiden erreichen würden. Die Amazonen wußten nicht, wohin sie zogen, sondern ritten durch die feuchte Dunkelheit, und ein Pferd trottete geduldig hinter dem anderen her.
    Kassandra ritt in einem dunklen Traum. Merkwürdige Empfindungen überfielen ihren Körper, die sie nicht kannte. Dann loderte ein Feuer auf, und sie wußte, daß sie es nicht mit ihren Augen sah. Irgendwo saß Paris vor diesem Feuer, und er blickte über die Flammen hinweg auf eine schlanke junge Frau, deren lange blonde Haare locker im Nacken gebunden waren. Sie trug das lange, hochgesteckte weite Kleid der Frauen vom Festland, und an der Art, in der Paris den Blick nicht von ihr wenden konnte, spürte sie das gierige Verlangen in seinem Körper, das sie so sehr verwirrte, daß sie die Augen vom Feuer abwandte; sie ritt wieder und spürte die Feuchtigkeit ihres Mantels, von dessen Kragen das Wasser ihren Rücken hinunterlief. Ihr Körper befand sich immer noch im Bann des Verlangens, obwohl sie nicht verstand, was sie empfand. Zum ersten Mal wurde sie sich ihres Körpers voll bewußt …, aber es war nicht ihr Körper. Die Erinnerung an die großen Augen der jungen Frau, an die zarte Rundung ihrer Wangen und die jungen Brüste, die sich unter dem Gewand abzeichneten, weckten in ihr heftige körperliche Empfindungen, die sie beunruhigten. Blitzartig brachte sie diese Gefühle mit den beunruhigenden Dingen in Verbindung, die Stern ihr erzählt hatte. Furcht erfaßte sie und Scham, obwohl sie zu unschuldig war, um es als Scham zu erkennen.
    Gegen Morgen hörte es auf zu regnen, und die dunklen Wolkenfetzen wurden vom Himmel gefegt. Der Mond erschien, und Kassandra erkannte, daß sie hoch oben auf einem Berg durch eine enge Felsschlucht ritten. Unter sich sah sie eine weite Ebene, auf der kleine, verkrümmte Bäume wuchsen, und sie sah ordentlich gepflügte Felder, die von Steinmauern eingefaßt waren. Sie zogen langsam einen steilen Abhang hinunter. Schließlich blieben die Pferde an der Spitze stehen. Die Zelte wurden abgeladen; die Frauen stellten den in feuchtes Tuch gepackten Feuertopf in die Mitte des Lagers. Schon zeigten sich die ersten roten Sonnenstrahlen über dem Rand der Schlucht, die sie durchquert hatten. Die Frauen schickten

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