Die Feuer von Troia
sagte sie. »Weiß jemand über solche Dinge Bescheid?«
»Vielleicht jemand bei den Dienern der Götter. Du bist eine Prinzessin zweier königlicher Häuser, dem der Amazonen und dem deines Vaters. Ich weiß nichts über diese Götter, aber die Zeit wird kommen, wenn du als eine von uns in die Tiefe steigen mußt, um vor die Schlangenmutter zu treten. Und da Sie dich bereits gerufen hat, sollte das eher früher als später geschehen. Vielleicht schon im nächsten Mond. Ich werde mit den Stammesältesten sprechen.«
Vielleicht , dachte Kassandra hat mich der Gott deshalb so früh gerufen, damit ich SEINE Dienerin werde . Aber sie hatte die Tore selbst geöffnet; sie konnte sich nicht über die Gabe beklagen, die sie sich gewünscht hatte.
Der Stamm ritt Tag um Tag durch schneidenden Wind und eisigen Regen. Es wurde immer kälter. Die Frauen hüllten sich nachts in alle ihre wollenen Gewänder und Decken. Kassandra drückte sich an ihr Pferd und suchte Schutz in der Wärme des großen glatten Leibs. Schließlich verzogen sich die Wolken, der Himmel wurde klar, und es hörte auf zu regnen. Der Stamm zog immer weiter nach Osten. Die Frauen fragten, wann sie ihr Ziel erreichen und Weiden für ihre Pferde finden würden. Aber Penthesilea seufzte nur und sagte: »Zuerst müssen wir zwei Flüsse überqueren, wie es die Göttin geboten hat.«
Der Mond nahm ab und wieder zu, als sie schließlich die ersten Menschen auf dieser Reise zu Gesicht bekamen: eine kleine Gruppe Männer, die Tierhäute trugen, an denen noch das Fell hing. Deshalb vermuteten die Frauen, daß die Männer die Kunst des Gerbens nicht beherrschten.
Hier gibt es Weideland, dachte Kassandra. Das ist vielleicht der Ort, wo unsere Herden Futter finden und wir bleiben können. Aber natürlich nicht, solange die Männer hier sind …
Die Männer starrten die Frauen flegelhaft und mit offenem Mund an. Penthesilea ritt zu ihnen hinüber.
»Wem gehören diese Herden?« fragte sie und wies auf die Schafe und Ziegen in der grünen Landschaft.
»Uns. Was sind das für Ziegen, die ihr reitet?« fragte einer der Männer. »Wir haben noch nie so große und gesunde Ziegen gesehen.« Penthesilea wollte ihm sagen, es seien keine Ziegen, sondern Pferde, entschied aber, die Unwissenheit der Männer könne für den Stamm von Nutzen sein.
»Es sind Poseidons Ziegen, und Poseidon ist der Gott des Meeres«, erwiderte sie.
Der Mann fragte: »Was ist das Meer?«
»Wasser von hier bis zum Horizont«, erklärte sie, und er holte tief Luft. »0 je! Wir bekommen nie anderes Wasser zu sehen als das in schlammigen Löchern, die im Sommer austrocknen. Kein Wunder, daß diese Ziegen so groß und fett sind!« Er lächelte verschlagen und fragte in seiner breiten Aussprache, ob die Damen ihre Herden vielleicht neben seiner weiden lassen wollten.
»Vielleicht eine oder zwei Nächte«, erwiderte Penthesilea.
»Wo sind eure Männer?« fragte er.
»Wir haben keine Männer, wir sind frei«, erklärte die Amazonenkönigin. »Aber wir nehmen eure Gastfreundschaft für diese Nacht gerne an, denn wir sind lange geritten. Unsere Tiere sind müde und werden sich über euer gutes Gras freuen.«
»Sie können gerne davon haben«, erwiderte einer der Männer. Er wirkte etwas sauberer als die anderen, und seine Felle waren nicht ganz so zerschlissen.
Beim Absitzen flüsterte Penthesilea Kassandra zu, sie müßten vorsichtig sein, dürften nicht schlafen und müßten die Pferde die ganze Nacht hindurch bewachen. »Ich traue den Männern nicht über den Weg«, flüsterte sie. »Ich glaube, sobald wir schlafen, oder wenn sie annehmen, daß wir schlafen, werden sie versuchen, unsere Pferde zu stehlen und uns vielleicht sogar überfallen. «
Die Männer versuchten, sich zwischen die Frauen zu drängen und sie verstohlen zu berühren. Kassandra dachte, arglose Stadtfrauen hätten überhaupt nicht begriffen, was die Männer taten. Sie stand mit den anderen jungen Mädchen auf, um die Decken auszubreiten und legte den Pferden die Fußfesseln an, damit sie in der Nacht nicht weit laufen konnten, nahm ihren Ledergürtel ab und wickelte sich zwischen Elaria und Stern in ihre Decke.
»Ich möchte wissen, wie weit wir noch reiten«, murmelte Stern und zog die Decke um ihre dünnen Schultern fester. »Wenn wir nicht bald etwas zu essen finden, werden die Kinder sterben.«
»So schlimm ist es noch nicht«, widersprach Elaria. »Wir haben nicht einmal angefangen, die Pferde zur Ader zu lassen.
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