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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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den Frauen hinüber.
    »Sie wittert unseren Hengst«, sagte Penthesilea. »Wir müssen ihn bewachen. Wenn er eine Stutenherde wittert, wird er möglicherweise versuchen, sie zu unserer zu treiben, und diese Pferde nützen uns nichts. Wir könnten sie nicht füttern, und die Weide würde nicht reichen.«
    »Was tun wir hier?« fragte Kassandra.
    »Die Göttin ist klug und weise«, erwiderte ihre Tante. »Hier im Land der Thraker können wir Eisen eintauschen und unsere Waffen ergänzen. In Kolchis, vielleicht sogar schon vorher, können wir Getreide kaufen, denn wir besitzen Dinge zum Tauschen: Ledersachen, Sättel, Zügel und anderes. Heute nachmittag gehen wir in das Dorf, um zu sehen, ob wir etwas zu essen kaufen können.« 
    Kassandra blickte zum grauen Himmel auf und fragte sich, wie jemand sagen konnte, ob es Vormittag oder Nachmittag war. Vermutlich wußte Penthesilea es einfach irgendwie.
    Etwas später rief Penthesilea Kassandra und eines der anderen Mädchen, es hieß Evadne, und zu dritt ritten sie zu dem Dorf, das mitten in den Getreidefeldern lag. Als die Amazonen das Dorf erreichten - es bestand nur aus ein paar kleinen runden Steinhäusern, in der Mitte gab es einen größeren Bau ohne Dach, wo die Frauen saßen und töpferten -, kamen die Bewohner heraus, um sie zu begrüßen.
    Viele Frauen trugen Spindeln und Wolle oder Ziegenhaar. Bekleidet waren sie mit langen, weiten Röcken aus grün oder blau gefärbtem gewebten Ziegenhaar; ihre Haare waren dunkel und zerzaust. Einige hielten Kinder auf den Armen, oder Kinder hingen an ihren Röcken.
    Mit leichtem Schaudern sah Kassandra, daß viele Kinder merkwürdig mißgestaltet waren. Ein kleines Mädchen hatte eine bis zur Nase gespaltene Oberlippe, wodurch ihr Nasenloch wie eine offene Wunde aussah; ein anderes hatte nur einen Daumen und einen verkrümmten Finger an der winzigen Hand, die wie eine Klaue wirkte. Kassandra hatte solche Kinder noch nie gesehen. Wenn in Troia ein mißgestaltetes Kind geboren wurde, brachte man es sofort zum Berg Ida, setzte es dort aus, und es fiel Wölfen oder anderen Raubtieren zum Opfer. Die Frauen und Kinder hielten sich stumm in einiger Entfernung, betrachteten die Amazonen auf ihren Pferden, aber sie waren neugierig.
    »Wohin wollt ihr?«
    »In den Norden, nach dem Willen unserer Göttin, und zur Zeit nach Kolchis«, sagte Penthesilea. »Wir würden hier gerne Getreide eintauschen.«
    »Was habt ihr zum Tausch anzubieten?«
    »Ledersachen«, erwiderte Penthesilea. Die Frauen schüttelten die Köpfe.
    »Wir machen selbst Ledersachen aus den Häuten unserer Pferde und Ziegen«, sagte eine Frau, die ihre Sprecherin zu sein schien. »Aber überlaßt uns ein Dutzend eurer kleinen Mädchen, und wir geben euch soviel Getreide, wie ihr tragen könnt.«
    Penthesilea wurde blaß vor Zorn.
    »Keine Frau unseres Stammes wird in die Sklaverei verkauft.« 
    »Wir wollen sie nicht als Sklavinnen«, erklärte die Frau, »wir werden sie als unsere Töchter annehmen. Hier hat eine Krankheit gewütet; viele Frauen sind im Kindbett gestorben, und andere können keine gesunden Kinder zur Welt bringen. Du siehst also, Frauen sind für uns sehr wertvoll.«
    Penthesilea wurde noch blasser. Sie sagte leise zu Evandre: »Sag es den anderen weiter. Keine Frau darf in diesem Dorf auch nur absitzen, ganz gleich aus welchem Grund, und wie sehr sie es auch möchte. Wir reiten weiter. «
    »Was ist, Tante?« fragte Kassandra.
    »Wir rühren ihr Getreide nicht an«, antwortete Penthesilea. Dann sagte sie zu der Frau: »Die Sache mit eurer Krankheit tut mir leid. Aber wir können nichts tun, um euch zu helfen. Wenn ihr sie allerdings los sein wollt, schneidet sofort das Getreide auf den Feldern und verbrennt es. Laßt es nicht einmal liegen, um den Boden zu düngen. Beschafft euch neue Saat irgendwo aus dem Süden. Untersucht die Körner und überzeugt euch davon, daß sie nicht schlecht sind. Denn das hat die Leiber eurer Frauen vergiftet.«
    Sie verließen das Dorf. Penthesilea ritt durch die Roggenfelder, beugte sich hinunter und riß ein paar grüne Halme ab. Sie hielt sie hoch und wies auf die Stelle, wo sich Ähren bilden würden.
    »Sieh her«, sagte sie zu Kassandra und deutete auf die rötlich bläulichen Fasern an der Spitze der Stengel, »riech daran. Als Priesterin mußt du in der Lage sein, das zu erkennen, wenn du es siehst. Du darfst das auf keinen Fall in den Mund nehmen. Und iß es auch nicht, selbst wenn du am Verhungern

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