Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
bist.«
    Kassandra roch an den Halmen, von denen ein eigenartig schimmliger, schleimiger, beinahe fischiger Geruch ausging.
    »Dieser Roggen wird jeden vergiften, der die frischen Körner ißt, und sogar das Brot, das man daraus backen könnte. Die schlimmste Form der Vergiftung tötet die Kinder im Leib und kann eine Frau auf Jahre hinaus unfruchtbar machen. Das Dorf ist vielleicht bereits dem Untergang geweiht. Schade, die Frauen wirkten hübsch und fleißig. Sie spinnen und weben bemerkenswert gut. Außerdem fertigen sie schöne Töpfe und Becher. «
    »Werden sie alle sterben, Tante?«
    »Möglicherweise. Viele werden das vergiftete Getreide essen und nicht daran sterben. Aber im Dorf werden keine gesunden Kinder mehr geboren. Und wenn sie verzweifelt genug sind, um ein Jahr Hunger zu ertragen, ist es vielleicht schon zu spät.«
    »Aber lassen die Götter das zu?« fragte Kassandra. »Welche Göttin ist so zornig, daß SIE das Getreide des Dorfes verdirbt?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht ist es überhaupt nicht das Werk einer Göttin«, erwiderte ihre Tante, »ich weiß nur, daß es dieses vergiftete Getreide Jahr für Jahr gibt - besonders wenn es zu viel geregnet hat.«
    Kassandra hatte es immer für selbstverständlich gehalten, daß das Getreide auf den Feldern durch das Wirken der Erdmutter wuchs und daß sie es behütete. Daran zu zweifeln war Ketzerei, und sie schob den erschreckenden Gedanken so schnell wie möglich beiseite. Sie spürte den Hunger - sie hatte schon so lange nichts Ordentliches mehr gegessen, daß sie manchmal tagelang den Hunger überging.
    Der Stamm ritt weiter, und die Frauen entdeckten nach einiger Zeit kleine Tiere, die blitzschnell in Erdlöchern verschwanden oder daraus hervorkamen. Eines der Mädchen legte einen Jagdpfeil auf die Sehne mit einer Spitze aus feuergehärteten Holz anstelle der Metallspitze, schoß, und das getroffene Tier fiel zuckend zu Boden. Die Amazone sprang vom Pferd und tötete das Tier mit einem Schlag auf den Kopf. Eine ganze Schar Pfeile folgten dem ersten, aber nur ein oder zwei trafen ihr Ziel. Bei dem Gedanken an Hasen am Spieß lief Kassandra das Wasser im Mund zusammen.
    Penthesilea gab ein Zeichen zum Anhalten.
    »Wir werden hier lagern. Und ich verspreche euch, wir reiten nicht weiter, bis wir irgendwie satt geworden sind«, sagte sie, »die Kriegerinnen nehmen ihre Bogen und jagen. Ihr anderen stellt Zielscheiben auf und übt euch im Bogenschießen. In den Tagen, seit wir unterwegs sind, haben wir es versäumt, uns im Jagen und Kämpfen zu üben. Zu viele Pfeile flogen weit neben das Ziel. Zu Zeiten meiner Mutter hätten so viele Pfeile genug Hasen getroffen, um uns alle satt zu machen.«
    Sie fügte hinzu: »Ich weiß, wie hungrig, ihr alle seid - mir liegt am Fasten ebensowenig wie euch allen, und ich habe ebenso lange wie ihr keine richtige Mahlzeit mehr gegessen. Doch ich bitte euch, meine Schwestern, wenn ihr in diesem Dorf Getreide, etwas, das daraus gemacht ist, oder überhaupt etwas zu essen gefunden - oder gestohlen - habt, laßt es mich sehen, ehe ihr davon eßt. Auf diesem Getreide liegt ein Fluch, und alle, die Brot essen, das daraus gebacken ist, können Fehlgeburten haben oder ein Kind bekommen, das nur ein Auge oder nur einen Finger hat.«
    Eine Frau zog trotzig einen harten, schimmlig wirkenden Laib Brot unter dem Gewand hervor. Sie sagte: »Ich werde das Brot einer Frau geben, die keine Kinder mehr bekommt, und es unbeschadet essen kann. Ich habe es nicht gestohlen«, fügte sie hinzu, »sondern gegen eine alte Spange getauscht.«
    Eine der ältesten Frauen des Stammes sagte: »Ich will es anstelle meines Anteils an dem Hasen nehmen, den mein Pfeil getroffen hat. Es ist zu lange her, daß ich Brot gegessen habe, und ich werde mit Sicherheit keine Kinder mehr bekommen, die dadurch Schaden nehmen könnten.«
    Beim Anblick des Brotes wurde Kassandra so hungrig, daß sie dachte, sie würde lieber eine Fehlgeburt oder ein mißgestaltetes Kind riskieren, das sie irgendwann in der Zukunft vielleicht bekommen würde; aber sie wollte ihrer Tante gegenüber nicht ungehorsam sein. Andere Amazonen brachten eßbare Dinge zum Vorschein, die sie im Dorf eingetauscht - oder gestohlen - hatten. Penthesilea nahm ihnen beinahe alles ab und warf es ins Feuer. Kassandra übte Bogenschießen, während die erfahrenen Kriegerinnen auf der Suche nach Wild davon ritten. Die alten Frauen schwärmten aus, um in der flachen Landschaft nach etwas Eßbarem

Weitere Kostenlose Bücher