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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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aber vermutlich gefiel Andromache der Gedanke nicht schlecht, schließlich einmal Königin von Troia zu werden. Verstohlen blickte sie sich im Saal um - ihre Mutter hatte sie immer ermahnt, es sei nicht anständig, Männer anzustarren - und überlegte, ob es hier einen Mann gab, den sie bereitwillig heiraten würde. Ganz sicher keiner ihrer Brüder, selbst wenn sie nicht ihre Schwester gewesen wäre. Hektor war grob und streitsüchtig; Deiphobos verschlagen und hinterhältig, und selbst Paris, so hübsch er war, hatte bereits seine Oenone im Stich gelassen. Troilos war noch ein Kind, aber vielleicht würde er einmal sanft und freundlich sein. Sie dachte daran, daß selbst bei den Amazonen die jungen Mädchen ständig über junge Männer gesprochen hatten, und auch dort hatte es sie belastet, anders zu sein. Weshalb lag ihr nichts an dem, was den anderen so wichtig war?
    Es muß an der Ehe etwas Lohnendes sein. Warum sollten alle Frauen sonst so sehr danach streben?  Sie dachte an Imandras Worte : Du bist eine geborene Priesterin . Zumindest war das ein einsehbarer Grund für ihr Anderssein.
    Ihre Lider wurden schwer; sie blinzelte, richtete sich auf und wünschte, das alles wäre vorbei. Sie war schon vor Tagesanbruch wach und auf der Reise gewesen, und hinter ihr lag ein langer Tag. Priamos hatte Paris an seine Seite gerufen, und sie sprachen von Schiffen und von dem Weg über das Meer zu den Inseln der Achaier, und wie man mit Agamemnon am besten verhandelte. Andromache schlief beinahe. E s ist das langweiligste Fest, das ich je erlebt habe , dachte Kassandra.  Aber schließlich habe ich noch nicht viele Feste mitgemacht.
    Endlich brachte Priamos einen Trinkspruch auf das jungvermählte Paar aus und rief nach Fackeln, um Hektor und die Braut in das Brautgemach zu geleiten.

    Hekabe als die Ranghöchste der Frauen führte den Zug mit einer brennenden Fackel an. Das Licht flackerte und tanzte und beleuchtete die bunten Malereien an den Wänden, als die Frauen - mit Kassandra rechts und Polyxena links - Andromache die Treppe hinaufführten. Ihnen folgten alle Frauen des Palastes, die Nebenfrauen des Priamos und seine Töchter und alle Dienerinnen bis hinunter zu den Küchenmägden. Die Fackeln qualmten, und Kassandras Augen brannten. Die Flammen schienen plötzlich hoch aufzulodern. Hinter den Wänden wütete ein schreckliches Feuer, das sogar das Brautgemach erreicht hatte. Sie führten Andromache einem schrecklichen Schicksal entgegen …
    Kassandra schlug die Hände vor das Gesicht, als wolle sie den Anblick nicht sehen und hörte sich flüstern: »Nein, nein, das Feuer. Führt sie nicht hinein.«
    »Schweig!« Hekabe umklammerte ihre Handgelenke, bis Kassandra sich vor Schmerzen krümmte. »Was ist mit dir? Bist du verrückt?«
    »Hörst du den Donner nicht?« fragte Kassandra erstickt. »Nein, nein, dort wartet nur der Tod… und das Blut. … es brennt, der Blitz, das Ende… «
    »Sei still!« befahl Hekabe. »Welch ein Omen an einem Brautlager! Wie kannst du es wagen, dich so aufzuführen?«
    »Aber hört ihr es nicht? Mutter, siehst du nicht … « Kassandra hatte das Gefühl, die Dunkelheit verschlinge sie; sie sah nichts mehr als Dunkelheit, in der Flammen züngelten. Sie preßte ihre Hände auf die Augen, um diesen Anblick zu vertreiben. Waren nur die rauchenden Fackeln daran schuld?
    »Schäm dich!« redete ihre Mutter zornig auf sie ein und zog sie vorwärts. »Ich dachte, die Prinzessin von Kolchis sei deine Freundin. Willst du ihr die Hochzeitsnacht mit diesem Unsinn verderben? Du warst schon immer eifersüchtig, wenn andere als du im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen. Aber ich dachte, du wärst aus diesem Alter heraus.«
    Man führte Andromache in das Brautgemach. Auch hier waren die Wände mit so lebensechten Meereswesen bemalt, daß sie leibhaftig dort zu schwimmen schienen. Beim Festmahl hatte Hekabe ihr erzählt, Handwerker aus Kreta hätten ein Jahr im Palast gearbeitet und die Wände nach kretischem Vorbild gestaltet, und all die geschnitzten Dinge seien ein Tribut der Königin von Knossos.
    Auf dem Tisch neben dem Bett stand eine kleine Statue der Erdmutter mit nackten Brüsten über einem enggeschnürten Mieder und einem volantbesetzten Rock. In jeder Hand hielt sie eine Schlange. Als die Frauen Andromache das Hochzeitsgewand auszogen und ihr ein ägyptisches Hemd überstreiften, flüsterte sie Kassandra zu: »Siehst du, die Schlangenmutter. Sie kommt von zu Hause, um mich heute nacht

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