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Die Feuer von Troia

Die Feuer von Troia

Titel: Die Feuer von Troia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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der Hämmer und der Breitbeile wider, während das Schiff auf dem Stapelschlitten wuchs, wo der Kiel gelegt worden war. Beinahe jeden Abend kamen die Sänger in die große Halle, um die Ballade von Jason und den Bau der Argo zu singen.
    Viele Wochen wurden Vorräte für die Reise geladen, und Segelmacher nähten mit ihren großen Nadeln das gewaltige Segel, das auf dem weißen Sand am Ufer ausgebreitet lag. Im Hof brannten Tag und Nacht die Feuer, um Fleisch zu trocknen oder zu räuchern, das in Fässern verstaut wurde; Körbe mit Früchten wurden herbeigebracht, große Krüge voll Öl und Wein und mehr, immer mehr Waffen. Den Frauen kam es vor, als hätten alle Schmiede des Reichs monatelang bronzene Pfeilspitzen gehämmert, Schwerter aus Bronze oder Eisen und Rüstungen geschmiedet.
    Dutzende der besten Krieger begleiteten Paris - nicht um einen Krieg zu führen, sondern für den Fall, daß sie auf der Fahrt durch die Ägäis Piraten begegnen würden - sei es dem berüchtigten Räuber Odysseus (manchmal erschien er im Palast des Priamos, um seine Beute zu verkaufen, manchmal aber auch nur, um den Zoll zu entrichten, den Priamos von allen Schiffen erhob, die durch die Meerenge nach Norden fuhren) oder einem anderen Freibeuter. Dieses Schiff, das mit Geschenken für Agamemnon und die anderen achaischen Könige beladen war, durfte nicht geplündert werden; der Auftrag bestand darin - zumindest sagte Priamos das -, ein ehrenhaftes Lösegeld für die Herrin Hesione auszuhandeln. Kassandra sah, wie das Schiff unter den Händen der Schiffsbauer wuchs, und wünschte inbrünstig, sie würde mit Paris und den anderen davon segeln.
    An zwei oder drei Tagen, als die Krieger im Palasthof mit den Waffen übten, lieh sie sich von Paris eine kurze Tunika; der Helm machte sie unkenntlich, und sie übte mit den Männern den Kampf mit Schwert und Schild. Die meisten hielten sie für Paris. Da er selten an den Übungen teilnahm, erkannte man sie nicht sofort. Obwohl sie wußte, das alles war für sie nur ein Spiel, genoß sie es ungemein. Die Gewandtheit ihrer langen Glieder und die Muskelkraft verhinderten, daß man ihre Tarnung durchschaute.

    Aber eines Tages trat einer von Hektors Freunden gegen sie an und warf sie zu Boden. Dabei rutschte die kurze Tunika bis über die Hüfte. Hektor kam herbei, riß ihr den Helm vom Kopf, nahm ihr dann, obwohl sie sich wehrte, wütend das Schwert aus der Hand und verprügelte sie mit der flachen Klinge.
    »Geh hinein, Kassandra, und kümmere dich um Spinnen und Weben«, schrie er sie an, »es gibt genug Frauenarbeiten für dich. Wenn ich dich noch einmal hier draußen in dieser Verkleidung erwische, schlage ich dich mit eigenen Händen blutig.«
    »Laß sie in Ruhe, du Grobian!« rief Andromache, die an der Seite zugesehen hatte. Sie nähte ein rotes Polster für Hektors Streitwagen und heftete gerade das letzte Stück Goldkordel daran. Hektor drehte sich wütend nach ihr um.
    »Wußtest du, daß sie hier ist, Andromache?«
    »Und wenn ich es gewußt hätte?« erwiderte Andromache herausfordernd, »meine Mutter kämpft als Kriegerin!«
    »Es schickt sich nicht, daß meine Schwester oder meine Frau hier draußen unter den Augen der Männer sich die Zeit vertreiben«, erwiderte Hektor ärgerlich, »geh hinein zu deiner Arbeit. Ich will nicht noch einmal erleben, daß du mit diesem ungeratenen Ding unter einer Decke steckst!«
    »Du glaubst wohl, du kannst mich auch blutig schlagen!« rief Andromache schnippisch, »aber du weißt, was du von mir zu erwarten hast, wenn du es versuchst!« Kassandra sah staunend, daß ihrem Bruder eine verlegene Röte ins Gesicht stieg.
    Der frische Wind blies Andromache die dunklen Haare ins Gesicht. Sie trug eine weite Tunika fast in derselben Farbe wie ihr Hochzeitskleid und sah sehr hübsch aus. Schließlich sagte Hektor so gepreßt, daß Kassandra wußte, er unterdrückte, was er eigentlich sagen wollte, weil es ihm für die Ohren dritter nicht passend erschien - und sei es auch die der eigenen Schwester.
    »Sei es, wie es sei, Frau. Trotzdem ist es für dich schicklicher, in die Frauengemächer zu gehen und dich an den Webstuhl zu setzen. Es gibt genug Frauenarbeit, und es wäre mir lieber, du würdest dich darum kümmern, als hier herauszukommen und Kassandras Gewohnheiten zu lernen. Nun ja, wenn du es so willst, werde ich deine Freundin diesmal nicht schlagen. Und du, Kassandra, geh und kümmere dich um deine Angelegenheiten, oder ich werde es Vater sagen.

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