Die Feuerbraut
sie, in eine Kutsche zu steigen, die sie in einen ganz anderen Teil des Reiches bringen sollte. Sie konnte sich kaum vorstellen, was unterwegs und an ihrem Ziel auf sie warten mochte, aber das ängstigte sie nicht. Wichtig war nur, dass sie für eine Weile Helenes Fuchtel entrann, und sie fühlte sich so erleichtert, dass sie zu weinen begann.
Helene missverstand die Tränen und versetzte ihr einen Stoß, der sie auf das Sitzpolster plumpsen ließ. »Heul nicht! So schlimm wird es schon nicht werden. Ab jetzt wird Frau vonKerling sich um dich kümmern.« Dabei nickte sie einer mageren, unscheinbaren Frau knapp über dreißig zu, die nun ebenfalls in die Kutsche stieg.
Es handelte sich um die Witwe eines Majors der kaiserlichen Truppen, die seit Wochen eine Möglichkeit gesucht hatte, zu Wallenstein zu gelangen. Sie hoffte, den Generalissimus zur Aussetzung einer kleinen Rente bewegen zu können, denn sie lebte trotz ihrer adeligen Abkunft wie ein gewöhnlicher Bettler von der Mildtätigkeit der noch Wohlhabenden und der Speisung durch die Klosterschwestern. Aus diesem Grund hatte sie mit beiden Händen zugegriffen, als Steglinger ihr angetragen hatte, Irmela als Anstandsdame nach Böhmen zu begleiten. Seitdem hatte sie ein paar interessante Gespräche mit Helene geführt und dabei Auskünfte über ihren Schützling und seinen Reichtum erhalten, die sie mit Neid und einem gewissen Abscheu erfüllten. Da sie während der Reise auf Irmelas Wohlwollen angewiesen war, verbarg sie diese Gefühle hinter einer Maske der Zuvorkommenheit.
»Keine Sorge, Frau von Hochberg! Ich gebe auf die Kleine acht«, antwortete sie daher und berührte Irmelas Arm. »Gewiss wird es eine schöne Reise werden. Wir werden Pilsen sehen und vielleicht sogar Prag.« Einige Augenblicke schwelgte sie in der Erinnerung an jene Orte, die sie mit ihrem Mann zusammen aufgesucht hatte, haderte dann aber sofort wieder mit ihrem Schicksal, das sie so stiefmütterlich behandelte.
Irmela spürte den falschen Unterton in der Stimme der ihr aufgezwungenen Gesellschafterin und bedauerte es, nicht nur in Fannys Gesellschaft reisen zu können. Daher antwortete sie nicht, sondern starrte ins Leere. Fanny stieg als Letzte in die Kutsche und setzte sich vorsichtig auf die gegenüberliegende Polsterbank. Als Magd musste sie gegen die Fahrtrichtung sitzen und auf das Land schauen, das hinter ihnen zurückblieb, und warauch den Bewegungen der Kutsche stärker ausgesetzt. Das störte sie jedoch nicht im Geringsten. Sie war glücklich, ihre Herrin begleiten zu dürfen, und heilfroh, Helene und deren Anhang nicht mehr bedienen zu müssen. Irmelas Stiefgroßmutter und die beiden jungen Frauen hatten sie herumgehetzt und mit Püffen und bösen Worten belohnt. Ab jetzt musste sie sich nur noch um Irmela kümmern und um Dionysia von Kerling, die sich keine eigene Zofe leisten konnte. Bei dem Gedanken schwor sie sich, alle Aufgaben, die sie als unter ihrer Würde als Kammerzofe einer Komtesse erachtete, an Abdur weiterzugeben, den Steglinger ihnen neben dem Kutscher, dessen Helfer und zwei bewaffneten Reitern mitgegeben hatte.
Als der Gehilfe des Kutschers an den Wagenschlag trat, um ihn zu schließen, nickte Helene zufrieden. Sie hatte vor aller Welt ihre Pflicht Irmela gegenüber erfüllt und konnte das Mädchen beruhigt abreisen lassen. Was danach kam, würde man nicht mehr ihr, sondern dem Schicksal anlasten. Natürlich hoffte sie, Irmela würde bis zu Wallenstein gelangen und dort Erfolg haben. Doch auch ohne die böhmischen Güter war das Vermögen der Hochbergs noch ausreichend, um ihr und Johanna ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Mit einem erleichterten Lächeln hob sie die Hand und gab dem Kutscher zu verstehen, er könne abfahren.
Der Mann, der trotz des warmen Tages in einen weiten Mantel gehüllt war, befahl seinem Helfer, die Bremsen zu lösen, und ließ die Peitsche über den Rücken der Pferde tanzen. Sofort setzte der Wagen sich in Bewegung und bog in die Gasse ein, die zu dem an der Ilz gelegenen Stadtteil führte. Abdur stand wie eine Statue hinten auf einem Brett am Wagenkasten, wie es sich für einen Diener gehörte, und die beiden Reiter, die Steglinger Irmela als Schutz mitgegeben hatte, folgten der Kutsche mit mürrischen Gesichtern. Zwar waren sie mit je zwei Pistolen undeinem Degen bewaffnet, aber ihnen war bewusst, dass sie einer halbwegs entschlossenen Räuberbande nicht die Stirn würden bieten können.
Irmela streckte ihren Arm durch die
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